Öffne deine Seele (German Edition)
preisgegeben.
Doch die Friedrichs mochten erzählen, was sie wollten: Möglicherweise würden die Nachbarn eine Weile hinter vorgehaltener Hand über sie tuscheln – eine Weile, die sich durchaus bis zum Renteneintritt hinziehen konnte. Doch Dennis Friedrichs würde dadurch nicht eine Eigentumswohnung weniger vermitteln, und Hannahs erotische Erfahrungen lagen vermutlich auch nicht dermaßen außerhalb der Norm, dass sie damit für den Dienst bei der Kriminalpolizei untragbar wurde.
Nein, was die Nachbarn miteinander trieben, war immer nur begrenzt interessant.
Die Nachbarn standen nicht im Licht der Öffentlichkeit.
Anders als Joachim Merz.
«Nun …» Marius schien sich zu sammeln.
Wenn er einen Rest Verstand hat, erinnert er sich daran, dass ich auch sein Anwalt bin, dachte Merz.
«Ich gehe davon aus, dass Sie in einer etwas anderen Welt leben als die Eheleute Friedrichs, Dr. Merz», bemerkte Marius. «Zum Beispiel sind Sie häufig im Fernsehen zu Gast.»
Merz zuckte die Achseln. «Da sind wir schon zu zweit, nicht wahr?»
Der Moderator machte eine Handbewegung: Treffer akzeptiert.
«Nun, ich bin eher der Gastgeber, aber richtig. Verraten Sie mir, wie lange Sie unsere Freundin Hannah schon kennen?»
Merz zögerte. «Drei Jahre», sagte er. «Im Oktober.»
«Das wissen Sie so genau?»
Merz nickte stumm.
«Und seit drei Jahren haben Sie beide … Darf ich sagen: ein Verhältnis?»
«Das dürfen Sie nicht.»
«Oh? Und warum nicht?»
«Weil es nicht wahr ist.»
Marius betrachtete ihn.
Sag mir, dass ich lüge, dachte Merz. Sag’s mir auf die gebrochene Nase zu.
«Aber Sie leugnen nicht, dass Sie mit Hannah … intim waren?»
Merz holte Luft. «Nein, das leugne ich nicht.»
«Und wann zum ersten Mal?»
«Vor drei Jahren. Im Oktober.»
«Aha. Und seitdem …»
«Reden wir von Hannahs Seele, Marius? Oder reden wir über Bettgeschichten?»
Wieder diese Handbewegung, aber unwilliger diesmal.
«Wir reden über beides», erklärte der Moderator. «Nachdem wir zu erahnen beginnen, was es ist, das Hannah in ihrem Leben fehlt, stellt sich die Frage, was sie so offensichtlich in Ihnen gefunden hat. Würden Sie das, was Sie beide verbindet, demnach als Bettgeschichte bezeichnen?»
«Nicht …» Merz zögerte. «Nicht ausschließlich», sagte er. «Nur zum geringen Teil.»
Er musste auf seine Worte achtgeben. Er war entschlossen, nicht zu lügen, und in mehr als einer Beziehung hatte er nicht gelogen.
Was zwischen ihnen geschehen war, hatte sich nur zum ganz geringen Teil im Bett abgespielt.
Ohne dass er die Augen hätte schließen müssen, konnte er Hannahs Körper vor sich sehen, nackt, bloß und verletzlich auf dem Boden seiner Wohnung in Rotherbaum. Ihr Duft, ein Duft, in dem Verlangen und Furcht sich mischten. Oder den Park in Braunschweig, als sie nicht länger hatten an sich halten können, nicht mehr den Weg ins Hotel geschafft hatten. Laute von Lust, ja, und Schmerz.
Unter den Sternen.
Doch das war nur die eine Dimension.
Die andere Sache war, dass Hannah es einfach verdient hatte, dass er die Wahrheit sagte.
«Ich würde es als Liebe bezeichnen», sagte er.
Ein dumpfer Laut war zu hören, als Dennis seinen Stuhl zurückschob, aufstand und sich zwei Schritte vom Tisch entfernte.
Der Moderator warf einen Blick über die Schulter. Er sah mehr in der Dunkelheit als jeder andere, und offenbar stellte ihn zufrieden, was er sah.
Nein, Dennis würde den Raum nicht verlassen.
«Als Liebe?», hakte Marius nach. «Das müssen Sie mir erklären. Was bedeutet Hannah Friedrichs für Sie?»
Der Anwalt schloss die Augen.
«Sie war eine Herausforderung. Am Anfang. Sie ist eine sehr starke Frau. Ich habe in meinem Leben …» Er holte Luft. «Ich hatte viele Frauen», sagte er. «Aus bestimmten Gründen ist das nicht schwierig für mich, und damit bedeutet es keine Herausforderung mehr. Vielleicht ist es eine typisch menschliche Regung, dass wir immer um das kämpfen, das sich schwer erreichen lässt.»
Marius nickte. «Dinge, die selten sind, ziehen uns an. Dinge, die nicht jeder hat. Gold, Edelsteine, ein Ferrari. Eine Yacht, ein Privatflieger, eine Schönheitskönigin zur Frau. Unser Bild in der Zeitung.»
Jetzt war es Merz, der eine wegwerfende Bewegung machte.
«Gut», schränkte der Moderator ein. «Das Bild in der Zeitung ist in Ihrem Fall nichts Besonderes. Hannah dagegen schon?»
Merz’ Augen wanderten zum Monitor.
Hannah konnte sich nur wenige Zentimeter bewegen, ihr
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