Öffne deine Seele (German Edition)
Staub und kaum zu erkennen. Und doch bin ich so froh wie noch nie zuvor in meinem Leben, ihn zu sehen.
Folkmar verfolgt misstrauisch seine Bewegungen, doch als Dennis keine Anstalten macht, ihm zu nahe zu kommen, greift er nicht ein.
Mein Mann steht fünf Meter entfernt – viel zu weit, um ihm mit einer raschen Bewegung Fernbedienung oder Lobotomiewerkzeug aus der Hand zu schlagen.
Dennis betrachtet mich, und auch in seinem Blick liegt diese Ruhe, die ich kenne und doch bis heute nicht begreifen kann.
Folkmar dreht sich langsam zu ihm um.
Mein Herz beginnt zu rasen. Hastig prüfe ich, ob ich meine Hand bewegen kann, und ja … Ja! Ich könnte sie freibekommen, aber er ist viel zu weit weg. Ich kann ihn nicht erreichen.
Dennis! Mein Blick ist flehend. Dennis, hilf mir!
Noch immer ist sein Blick auf mich gerichtet. Vielleicht die winzigste Andeutung eines Nickens.
In diesem Augenblick tritt der zweite Mann in meinem Leben an seine Seite.
Es ist seltsam, aber in diesem einen Moment kommt Joachim Merz mir irgendwie blass vor unter der Staubschicht, die auch ihn bedeckt, unruhig auf jeden Fall. Seine Augen gehen suchend hierhin, dorthin … Merz ist es gewohnt, alle Möglichkeiten zu bedenken, und ich spüre, wie er die unterschiedlichen Chancen abwägt, berechnet. Unentschlossen.
«Richtig», bemerkt Folkmar jetzt. «Das ist meine Absicht. Ich habe mir erlaubt, dir und Dr. Merz einen kleinen Anreiz zu geben dort in den Stollen, damit ihr euch in die richtige Richtung bewegt. Es ist nämlich wichtig, dass ihr dabei seid. Weil ihr etwas lernen sollt. Erinnert ihr euch an Marius’ Worte? Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg, und für jeden Menschen kommt irgendwann der Moment der Entscheidung. Der Moment, in dem er wählen kann, ob er es wagt, diesen Weg zu beschreiten, oder ob er aus Feigheit oder Schwäche davor zurückschreckt. Oder falscher Rücksicht. Echte Freunde beschreiten diesen Weg, mutig und entschlossen. Diejenigen aber, die sich verweigern …»
Seine Stimme hebt sich. «Ich bin Justus. Ich bin das Werkzeug der Gerechtigkeit, und ich zeige euch die Konsequenzen, wenn ihr es wagt, den Rat des Meisters gering zu schätzen und euch diesem Weg zu verweigern.»
Er bricht ab und betrachtet mich kurz. Ich lese echtes Bedauern in seinem Blick.
«Wirklich, ich hätte mir gewünscht, dass es anders gekommen wäre, gerade für sie. Doch am Ende hat sie sich alle Zugänge zu ihrem Weg verbaut.»
Er dreht sich zurück zu Dennis.
«Aber ihr werdet sehen: Ich bin kein grausamer Mensch. In Wahrheit wird sie kaum etwas spüren. Ich bin Justus, und meine Aufgabe ist die Gerechtigkeit, Parsifal, nicht die Strafe.»
«Und ich bin Dennis», sagt mein Ehemann ruhig. «Nicht Parsifal. Dennis – und Hannah. Ich bin hier, weil diese Frau meine Frau ist, die ich geheiratet habe, sodass wir nicht mehr Dennis und Hannah sind, sondern wir . Du kannst sie nicht töten, ohne mich ebenfalls zu töten.»
«Ich habe keinen Grund, dich zu töten, Dennis. Ich töte nicht, solange die Gerechtigkeit es nicht von mir fordert. Du wirst sehen: Du wirst weiterleben. Du …» Ein Nicken zu Merz. «Und Sie auch, Dr. Merz. Obwohl Sie beide glauben, ohne Hannah nicht leben zu können. Sie glauben das nur, weil Sie Ihre eigenen Seelen noch nicht kennen.»
«So?» Dennis hebt eine Augenbraue und kommt einen halben Schritt näher.
Doch diesmal hebt Folkmar auf der Stelle drohend die Fernbedienung.
Dennis bleibt stehen.
«Wir haben nicht nur eine Seele», sagt er leise. «Hannah und ich haben eine zweite, eine gemeinsame. Ich kenne ihre Seele, sie ist offen für mich, und wir müssen nicht darüber reden. Wir …»
Mit einem Mal verändert sich etwas.
«Und doch haben wir zu wenig geredet.» Jetzt ist es kaum noch ein Flüstern. Sein Blick findet den meinen, und alles, was wir jetzt sagen, findet nicht über Worte statt, sondern über Blicke, über … Dinge, die nicht ausgesprochen werden können, es sei denn in solchen Momenten.
«Ich habe mir zu wenig Zeit für dich genommen», flüstert Dennis. «Auch nachdem ich es dir versprochen hatte. Dir versprochen hatte, dass alles anders wird. Wir beide haben darum gekämpft, doch über das Kämpfen und die vielen Gedanken … um das Haus, um die Arbeit und die Termine … um das Geld … Gedanken, ob du es wirklich so spürst wie ich oder in Wahrheit mit … mit ihm …»
Ganz kurz streift sein Blick Merz, der diesmal still ist, vielleicht weil er spürt, dass er hier
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