Öffne deine Seele (German Edition)
verdammte Ding ist mir runtergefallen. Helfen Sie mir suchen!»
«Justus ist hier», flüsterte Merz. «Haben Sie ihn nicht gehört?»
Etwas berührte seinen Oberschenkel.
Mit einem Keuchen sprang der Anwalt beiseite.
Ein Schrei.
«Verdammt! Gehen Sie von meinen Fingern!»
Merz stolperte einen Schritt weiter, bis er gegen die Wand stieß. Das mürbe Holz zerbröselte zwar unter seinem panischen Griff, aber es war doch ein Halt, ein fassbarer Halt.
«Bleiben Sie mir wenigstens aus dem Weg», knurrte Dennis. «Justus ist nicht hier. Genauso wenig wie er im Studio ist. Das ist seine Höhle hier unten, vollgestopft mit Technik, selbst wenn wir sie nicht sehen können. Lautsprecher. Mikrophone. Kameras.»
Merz blieb stehen. In seinen Ohren hämmerte der Puls, wie er es selbst im Endspurt um die Außenalster nie erlebt hatte. Sein Herz überschlug sich.
Der Anwalt hatte über Paniken gelesen. Nachdem ihm bewusst geworden war, dass sein Problem mit Fahrstühlen und engen Räumen eindeutig kein Problem war, das alle Menschen hatten, hatte er sich über das Thema informiert.
Er mochte keine Überraschungen, in einem Rechtsverfahren nicht und auch nicht im Leben.
Er hatte sich über die Symptome einer Panikattacke kundig gemacht: Schwindel, Schweißausbrüche, Übelkeit, Herzrasen – eventuell mit Aussetzern –, Todesangst. Das Bild war eindeutig.
Die Gegenmaßnahmen …
Bleiben Sie in der Situation, in der Sie sich befinden, und die Panik wird in den allermeisten Fällen nach etwa zehn Minuten langsam abebben.
Zehn Minuten!
In den allermeisten Fällen!
Merz’ Atem ging stoßweise.
Reglos stand er an Ort und Stelle in der Dunkelheit, die Hand in die Wand gekrallt.
Du bist nicht in Gefahr! Logisch betrachtet bist du nicht in Gefahr!
Doch er musste feststellen, dass seine Fähigkeit, die Dinge logisch zu betrachten, an diesem Punkt an ihre Grenzen stieß.
Er musste es durchstehen. Eine Wahl hatte er nicht.
Er musste es durchstehen – auch für Hannah. Irgendwie und letztendlich auch für Hannah.
Denk nach! Sprich mit Dennis! Du musst deinen Kopf beschäftigen!
«Dennis?»
«Verflixt!» Hannahs Ehemann kroch noch immer über den Boden. «Ich kann die Lampe nicht finden!»
«Vie…» Merz räusperte sich. «Vielleicht ist es besser, wenn wir sie gar nicht wiederfinden», sagte er leise.
«Hä?»
«Ohne Licht kann er uns nicht sehen, und wir haben eher eine Chance …»
«Ohne Licht können auch wir nichts sehen! In einem halb eingestürzten Labyrinth von Stollen. Glauben Sie ernsthaft, auf diese Weise kommen wir … Ah!»
Der Lichtpunkt war winzig. Trotzdem: Für einen Moment kniff Merz die Augen zusammen.
Umständlich kam Dennis wieder hoch.
«Sie sehen ziemlich übel aus», bemerkte er.
Merz betrachtete sein Gegenüber, dessen Hände und Knie geschwärzt waren vom Kohlenstaub der aufgegebenen Mine.
«Ich denke, das gilt für uns beide», murmelte er.
Ein Geräusch.
Ein Rascheln, ein Rieseln, ein …
Hektisch schwenkte Dennis den Lichtstrahl hin und her.
Er starrte in den Stollen, der sich geradeaus fortsetzte.
Feiner Staub, der im Licht tanzte, jetzt größere, körnige Brocken, und auf einmal …
«Der Gang stürzt ein!», brüllte Dennis. «Kommen Sie!»
Er packte Merz am Arm und wandte sich nach rechts.
Nicht zurück zum Aufzug.
«Das ist Justus», keuchte der Anwalt. «Er will uns …»
«Wenn das hier ein ehemaliges Bergwerk ist, sind die Gänge schachbrettartig angelegt!», knurrte Dennis. «Und er wird sich nicht selbst den Ausweg versperren. Und ich glaube, dass er ihn in Wahrheit auch uns nicht versperren will!»
«Uns?»
Doch Dennis gab keine Antwort.
Stolpernd hasteten die beiden Männer voran.
Hinter ihnen ein Tosen und Dröhnen. Eine Wolke von dunklem Staub füllte die Luft. Neue Geräusche waren zu hören, doch Merz wusste nicht, ob sie von links oder von rechts kamen.
Nach Sekunden hatte er keine Orientierung mehr. Er sah nur Dennis’ undeutlichen Umriss vor sich und den Schimmer der Taschenlampe.
Jeder Atemzug stach in seinen Lungen.
Er hatte Angst. Angst um Hannah, Angst um sein Leben.
Jetzt hatte er allen Grund dazu.
***
Jörg Albrecht schwieg.
Er fühlte sich vollständig leer, vollständig erschöpft, doch auf eine wundersame Weise war es keine unangenehme Erschöpfung.
Es fühlte sich an … Ja, als wäre eine schwere Last von seiner Seele gefallen.
Am Ende hatte Marius keinen Versuch mehr unternommen, ihn zu unterbrechen.
Zumindest das
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