Öffne deine Seele (German Edition)
Schläfen sämtliche Haare weggesengt, die Haut darunter blutige Blasen geworfen.
Um diese oberflächlichen Verletzungen hatte sich das Rettungsteam überhaupt noch nicht kümmern können, das weniger als zwölf Minuten nach der Alarmierung auf dem Parkplatz vor Marius’ Anwesen eingetroffen war.
«Hundert zu fünfundsechzig», murmelte die Assistentin. «Das Adrenalin schlägt an.»
Die Notärztin nickte, so knapp, dass es kaum zu erkennen war.
«Wird sie …» Dennis Friedrichs’ Stimme war ein heiseres Krächzen. «Kommt sie durch?»
Die Ärztin antwortete nicht.
«Können wir los?», kam es von der Assistentin.
Wieder ein Nicken.
Eine Bestätigung – aber keine Prognose.
***
Albrecht konnte nicht mit Sicherheit sagen, wie viel Zeit vergangen war.
Die Türen der Intensivstation hatten sich mehrfach geöffnet, doch keinem von ihnen wurde Zutritt zu der Patientin gewährt – nicht einmal dem Ehemann.
Hannahs Zustand sei weiterhin kritisch, aber für den Augenblick stabil.
Nein, über neurologische Komplikationen könne man noch keine Aussage treffen.
Es war eine so grauenhafte Ironie:
Justus war nicht mehr dazu gekommen, den Eingriff bei Hannah vorzunehmen. Aber was, wenn nun der Elektroschock exakt dieselben – oder schlimmere – Auswirkungen hatte? Wenn Hannah überlebte, aber auf die rein vegetativen Funktionen beschränkt blieb, für den Rest ihres Lebens an Apparate angeschlossen, hilflos in einem Schlaf dahindämmernd, aus dem es kein Erwachen mehr gab?
Albrecht wollte nicht darüber nachdenken, ob es am Ende ein Fehler gewesen war, dass er die Waffe auf den Täter gerichtet hatte.
Ein Fehler in jeder nur denkbaren Beziehung. Menschlich.
Ob womöglich ein rascher Tod das Beste gewesen wäre, was Hannah unter diesen Umständen …
«Hauptkommissar?»
Blinzelnd sah er auf.
Max Faber stand vor ihm, mit einer Pralinenschachtel unter dem Arm. Die Farbe des geringelten Schleifchens konnte in diesem Moment keine anderen Assoziationen auslösen als Blut.
Hinter ihm stand Seydlbacher, in der Hand einen Blumenstrauß.
«Wie geht es Hannah?», fragte Faber vorsichtig.
Mit dem Kopf wies Albrecht wortlos auf die übrigen Wartenden: den Ehemann, Merz und die Eltern, die vor einer Weile völlig aufgelöst eingetroffen waren.
Stellen Sie sich hinten an.
Er sprach es nicht aus, doch an der Art, wie seine Mitarbeiter die Zähne zusammenbissen, erkannte er, dass sie verstanden.
«Zefix!», murmelte Seydlbacher.
Schweigend nickte der Hauptkommissar zu den beiden Plastikstühlen an seiner Seite.
Die Beamten ließen sich nieder, Seydlbacher direkt neben Albrecht.
Zwei oder drei Minuten lang herrschte Schweigen.
Dann räusperte sich Faber.
«Also …» Er zupfte an seinem Kragen. «Was wir Ihnen sagen wollten, Hauptkommissar: Wir haben die Sendung natürlich gesehen. Und was Sie da erzählt haben. Also, dass Sie meinen, Sie hätten unser Vertrauen missbraucht, und dass Sie da mit zweierlei Maß gemessen hätten und … Also, was wir eigentlich nur sagen wollten, nicht nur Alois und ich jetzt, sondern wir alle …»
Seydlbacher hob die Schultern und sah den Hauptkommissar an.
«Ja mei.»
Albrecht blinzelte.
Doch damit schien alles gesagt zu sein.
Er betrachtete die beiden.
«Danke», murmelte er.
Wieder Schweigen. Doch diesmal war es kürzer.
Faber holte Luft. «Allerdings ist da noch was, das Ihnen nicht gefallen wird», sagte er zögernd. «Alois?»
Der Beamte aus Süddeutschland langte in seinen Lodenjanker und zog einen Umschlag hervor.
«Klaus Matthiesen hat Ihnen, glaube ich, erzählt, dass Alois sich noch einmal mit seinem Bekannten aus dem Volkspark unterhalten hat. – Mach nicht so ein Gesicht, Alois! Dein Bekannter ist er nun mal … Also: der Kastenwagen, den die Bürgerwehr am Abend von Falk Sieverstedts Tod im Volkspark fotografiert hat. Wie sich gezeigt hat, ist dieser Wagen mehrfach gesehen worden, zwar nicht im Volkspark, aber an anderen entsprechenden Örtlichkeiten, wo jetzt nicht genau dieses Publikum unterwegs ist, sondern eher …» Ein tiefes Ausatmen. «Zeig’s ihm einfach, Alois.»
Der Umschlag wurde dem Hauptkommissar entgegengestreckt.
Mit gerunzelter Stirn nahm Albrecht ihn entgegen, öffnete die Lasche und nahm die Fotos heraus.
Er blätterte sie durch, und seine Hände wurden eiskalt.
«Aber das ergibt doch keinen …»
«Sehen Sie sich das allerletzte an», sagte Faber leise. «Ich glaube, dann verstehen Sie.»
Das tat Jörg
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