Öffne deine Seele (German Edition)
Mutter brach in Tränen aus und warf sich an die Brust ihres Mannes, der ihr unbeholfen den Rücken tätschelte. Im nächsten Moment bezog sie Dennis in die Umarmung ein.
«Dürfen wir …», begann Oberkommissar Faber.
«Es tut mir leid, aber an Besuch ist noch nicht zu denken.»
Der Beamte nickte verständnisvoll. «Würden Sie ihr dann …» Zögernd hielt er dem Arzt die Pralinenschachtel hin.
«Tut mir leid, aber auch das ist auf der Intensivstation nicht möglich.»
Wieder nickte Faber, im Begriff, die Pralinen in der Tasche zu verstauen.
«Do!» Der Bayer drückte dem Arzt plötzlich seinen Blumenstrauß in die Hand. «Für eich alle! Des habt’s guad gmacht! – Max!» Ein Stupser mit dem Ellenbogen.
Mit bedauernder Miene packte der glatzköpfige Beamte die Pralinen wieder aus und drückte sie dem Arzt in die Hand.
Der Mediziner bedankte sich und versprach, ihnen gegen Morgen noch einmal Nachricht zu geben. Allerdings seien in den nächsten Stunden keine Veränderungen zu erwarten. Er rate ihnen, nach Hause zu gehen und sich auszuschlafen.
Die beiden Beamten beherzigten den Rat auf der Stelle.
Merz nickte Dennis kurz zu und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als dieser ihn aufhielt.
«Joachim?»
Sein Vorname aus diesem Mund: Es fühlte sich an, als hätte er auf Alufolie gebissen.
«Ja?» Ausdruckslos sah er Hannahs Ehemann an.
Die Eltern hatten sich wieder zu ihren Stühlen zurückgezogen, saßen dort Hand in Hand, murmelnd ins Gespräch vertieft.
«Ich möchte Ihnen danken.»
Merz biss die Zähne zusammen, nickte knapp und wortlos.
«Dass Sie mir geholfen haben», fügte Dennis überflüssigerweise hinzu.
Der Anwalt betrachtete ihn. «Wenn ich tatsächlich geholfen habe, habe ich Hannah geholfen. Bitte melden Sie sich, falls sich etwas ändert. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich sie in den nächsten Tagen hier einmal besuchen.»
Dennis schien einen Moment zu zögern, nickte dann aber. «Über Besuch von Freunden freuen wir uns immer.»
Merz lagen viele Dinge auf der Zunge.
Doch es waren sinnlose Dinge.
«Genießen Sie – die Zeit», sagte er, wandte sich um und verließ den Raum.
Er hasste aussichtslose Prozesse.
In bestimmten Situationen aber war es schlicht das Klügste, eine Streitsache für den Moment verloren zu geben.
Sich geordnet zurückzuziehen. Nachzudenken. Kräfte zu sammeln.
Für die Revision.
***
Ein winziges Grüppchen.
Drei Wochen später glitt Jörg Albrechts Blick über die Reihen seiner im Besprechungsraum versammelten Mitarbeiter.
Wenn man von Reihen sprechen wollte bei sieben Personen.
Doch zumindest bei Hannah Friedrichs’ Stuhl konnte er sich Hoffnungen machen, dass er nicht auf ewige Zeit verwaist bleiben würde.
Er war zwei Mal im Eppendorfer Klinikum gewesen. Hannah hatte Mühe mit dem Sprechen. Große Mühe. Die Bestätigung, dass sie seine Entschuldigung angenommen hatte, hatte sie ihm eher durch Gesten und Blicke vermitteln können.
Doch die Ärzte klangen weiterhin optimistisch.
Es war nicht umsonst gewesen. Was zählte da der ganze Rest?
Doch einiges.
Er nickte, wie zu sich selbst.
«Ich möchte heute Abend eine erste Zwischenbilanz ziehen», erklärte er. «Die Ermittlungen in unseren beiden Fällen laufen zwar weiterhin, aber ich gehe davon aus, dass wir die wichtigsten Fakten auf dem Tisch haben.»
Wobei es ein Wunder war, dachte er, dass sie es nicht mit drei offenen Verfahren zu tun hatten, eines davon die Dienstaufsicht versus Jörg Albrecht.
Doch offenbar reichte eine fünfzehn Jahre zurückliegende Bettgeschichte mit der Mutter eines Mordopfers nicht aus für einen Verdacht der Befangenheit. Zumal Albrecht schließlich gerade gegen die Sieverstedts vordringlich ermittelt hatte.
Was noch auf ihn wartete, war die Entscheidung über den Umstand, dass er an einem einzigen Tag zwei Menschen getötet hatte.
Er würde sie akzeptieren, ganz gleich, wie sie ausfiel.
«Was die Verstrickungen der Sieverstedts im Kinderhandel anbetrifft, ist diese Bilanz schnell gezogen», begann er. «Um es kurz zu machen, entsprachen die Aussagen, die Elisabeth Sieverstedt vor ihrem Tod gemacht hat, der Wahrheit. Die Speichersticks mit Falk Sieverstedts Aufnahmen konnten in seinem Audi sichergestellt werden, und in der Tat zeigen sie das ganze Bild: die Konsulin und Retzlaff, die mit dem weißen Kastenwagen einschlägige Örtlichkeiten angefahren haben, um der zahlenden Kundschaft eine Auswahl von Kindern anzubieten. Was sich auf diesen Fotos
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