Öffne deine Seele (German Edition)
Konsulin Sie …»
«Ich konnte», murmelte Albrecht. «Diese gottverfluchte Dewies hat mich noch darauf angesprochen. Und das Schlimmste ist, dass das genau die Art von Teufelei ist, die man Sieverstedt zutrauen musste.»
«Sein Sohn hat das offenbar getan», sagte Faber leise.
Albrecht nickte ruckartig. «Zumindest haben wir den Wagen.» Er griff nach einem Foto von der Arbeitsfläche. «Das ist der Lkw von seinen Fotos. Er konnte im Hafen sichergestellt werden.»
«Lassen Sie mich raten.» Faber biss sich auf die Lippen. «Kein Hinweis auf die Kinder?»
«Eine Wagenladung Südfrüchte», knurrte Albrecht.
«Die Spurensicherung wird …»
Der Hauptkommissar winkte ab. Die Spurensicherungsteams hatten dieselbe Nachtschicht hinter sich wie sie selbst: in der Sieverstedt-Villa, im Wellblechschuppen am Hafen und drei weiteren Objekten mehr. Doch er wusste, wie lange es dauern konnte, bis auf diese Weise belastbare Beweise auftauchten.
Zu lange, wenn die Überlebenden aus Sieverstedts Organisation wussten, dass sie ihnen auf der Spur waren.
Der Konsul selbst, sein Prokurist – wer konnte noch dazugehören? Albrecht war dabei gewesen, als seine Beamten Falk Sieverstedts Räume auf den Kopf gestellt hatten, in aller Gründlichkeit diesmal, mitsamt dem Geheimversteck, in dem der Junge als Halbstarker seine Magazine gehortet hatte.
Nichts.
Winterfeldts automatische Suchläufe auf dem Rechner des Jungen waren jetzt ebenfalls beendet. Mit demselben Ergebnis.
Sackgassen, eine wie die andere. Und die Auswertung der Fernsehshow …
«Chef!», rief der junge Lehmann, ein Telefon in der Hand, die wie durch ein Wunder keine Bandage mehr trug. Die Haare standen ihm zu Berge – noch mehr als gewöhnlich.
Albrecht löste sich von der Stuhllehne.
«Sie haben was. Eine der Kameras auf der Amsinckstraße hat Retzlaffs Wagen! Fahrtrichtung stadtauswärts!»
«Zivilfahrzeuge!» Albrecht war schon in der Tür. «Sie sollen an ihm dranbleiben, aber unter keinen Umständen darf er etwas merken. Kein Blaulicht!»
Eilig gab der junge Mann die Anweisungen durch.
Stadtauswärts. Albrechts Gedanken überschlugen sich. Der Mann versuchte sich abzusetzen. Aber wenn sie Glück hatten, gab es vorher noch etwas, das er erledigen, eine letzte Spur, die er persönlich beseitigen wollte.
Die Kinder.
***
Der Schlag kam völlig unvorbereitet.
Der Schmerz explodierte in Joachim Merz’ Gesicht, und es war ganz entschieden nicht jene Art von dosiertem Schmerz, die ihm half, sich lebendig zu fühlen.
Er kippte nach hinten, schlug mit der Schulter und dem Hinterkopf auf und lag plötzlich flach auf dem Boden.
Doch er wurde nicht ohnmächtig.
Ein dunkler Umriss beugte sich über ihn und ließ sich dann schwer auf seinem Brustkorb nieder. Er bekam keine Luft mehr.
«Wo ist meine Frau, du Drecksau?», zischte Dennis Friedrichs. «Wo ist Hannah?»
Merz versuchte, Atem zu holen, doch es gelang ihm nicht. Er bemühte sich, Dennis ein Zeichen zu geben.
Du willst mich nicht umbringen. Du willst eine Antwort.
Rote Wolken traten vor seine Augen, die dunkler wurden und dunkler.
Dann, mit einem Mal, war das Gewicht von seiner Brust verschwunden.
Rasselnd rang er nach Luft – durch den Mund.
Seine Nase.
Es war eine simple Schlussfolgerung: der intensive Geschmack nach Eisen in seinem Mund. Warmes, zähflüssiges Blut, das ihm über das Gesicht, in die Kehle rann. Und der Schmerz, der schlicht mörderisch war.
Die Nase war gebrochen.
Vor Jahren hatte Merz gewisse Techniken erlernt. Techniken, mit denen sich Schmerz nach Belieben verdrängen ließ, wenn er in der momentanen Situation nicht gewünscht war.
Offenbar konnte er sich momentan nicht richtig entsinnen.
«Hannah?» Dennis’ Stimme erklang irgendwo in der Wohnung. «Hannah, verdammt! Wo steckst du?»
Eine Tür wurde geöffnet. Dennis sah im Bad nach. Er schloss sie wieder.
Im nächsten Moment war er zurück.
Ein zentnerschweres Gewicht presste sich auf Merz’ rechtes Handgelenk.
«Was hast du Schwein mit meiner Frau gemacht?»
Der Schmerz.
Mit einem Mal war die Erinnerung wieder da.
Den Schmerz zu verleugnen, war der falsche Weg. Der Schmerz scherte sich nicht darum, ob man ihn zur Kenntnis nahm.
Werde eins mit dem Schmerz, hatte der Coach gesagt. Akzeptiere ihn, lass ihn zu einem Teil von dir werden und werde selbst zu einem Teil von ihm.
Und dann: Nimm dir seine Kraft!
Mit einem Keuchen stieß Merz das linke Knie nach oben.
Ein leises Geräusch ertönte, wie
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