Öffne deine Seele (German Edition)
ein unterdrücktes Uff!
Im selben Moment war das Gewicht von seinem Handgelenk verschwunden.
Halb blind stemmte Merz sich in die Höhe und zuckte zusammen, als er die Hand belastete, aber schließlich stand er schwankend aufrecht. Das Handtuch war längst zu Boden geglitten.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht lag Dennis Friedrichs zu seinen Füßen, die Hände in den Schritt gepresst.
Nicht die Art, wie Gentlemen kämpfen, dachte Merz.
Wie gut, dass sie gerade niemand sehen konnte.
Er wischte sich über das Gesicht und starrte fasziniert auf seinen Handrücken.
Dicke Blutstropfen, die einer nach dem anderen auf den cremefarbenen Teppich fielen, ein Souvenir aus dem indischen Punjab, das ein kleines Vermögen gekostet hatte.
Merz wertete es als beruhigendes Zeichen, dass sein Gehirn wie von selbst Erwägungen anstellte, ob man in diesem Fall von einer Tateinheit aus Körperverletzung und Sachbeschädigung ausgehen konnte.
Er stützte sich gegen den Türrahmen und schüttelte kurz und ruckartig den Kopf.
Sein Schädel fühlte sich an, als hätte Dennis ihm die Nase bis in den Hinterkopf gerammt, doch sein Verstand war wieder vollständig klar.
Wo ist Hannah?
«Die Wohnung ist recht groß in Anbetracht des örtlichen Mietspiegels», sagte er kühl. «Doch wie Sie offenbar bereits festgestellt haben, ist Ihre Frau nicht hier.»
Flatternd öffneten sich Dennis’ Augenlider.
«Nicht … hier?»
Der Anwalt ging in die Hocke, griff nach dem Handtuch und presste es vorsichtig vor sein Gesicht.
Langsam ging er hinüber zur Sitzgarnitur vor den Fenstern, nicht ohne vorher die Wohnungstür ins Schloss gestoßen zu haben.
Die Nachbarn mussten sowieso längst aufmerksam geworden sein.
Aus dünnen Augenschlitzen beobachtete er, wie Dennis Friedrichs ebenfalls auf die Beine kam, dabei aber keinerlei Anstalten unternahm, sich erneut auf Merz zu stürzen – oder aus der Wohnung zu verschwinden.
Mit einem Ächzen fiel Hannahs Ehemann in den zweiten Sessel.
Über den Glastisch hinweg starrten die beiden Männer sich an.
«Wo ist meine Frau?»
Probehalber zog Merz das Tuch einige Zentimeter zurück. Die Blutung schien zum Stillstand zu kommen.
«Stellen Sie sich überall so vor, wenn Sie nach ihr suchen?»
«Sie sind der Erste», murmelte Dennis düster. «Über andere habe ich mir keine Gedanken gemacht. Vielleicht war das ein Fehler.»
Joachim Merz spürte ein Gefühl in sich aufsteigen. Wut.
Einen Moment lang war er überrascht, dass sie jetzt erst kam.
Dann wurde ihm klar, dass er Dennis Friedrichs für das, was er bisher getan hatte, eigentlich keinen Vorwurf machen konnte.
Wären ihre Rollen vertauscht gewesen, hätte er selbst nicht anders gehandelt.
Erst den Verdacht, dass es neben ihm – und Dennis selbst – noch andere Männer in Hannahs Leben geben sollte, empfand er als Geschmacklosigkeit.
«Sie reden Blödsinn», sagte er. «Und das wissen Sie. Im Badezimmer ist ein Erste-Hilfe-Kasten.»
Dennis betrachtete ihn. Für einen Moment schien er unschlüssig, ob er der Bitte Folge leisten sollte, doch schließlich stand er vorsichtig auf, humpelte ins Bad und kam zehn Sekunden später mit dem Verbandskasten zurück.
Beide Männer schwiegen, während Dennis Verbände und Mull zurechtschnitt und zwei tamponartige Wattekompressen heraussuchte.
Erst als er sich mit ihnen Merz’ Nase näherte, nahm der Anwalt sie ihm aus der Hand und führte sie selbst in die Nasenlöcher ein.
«Moment», sagte er und holte Luft, bevor er vorsichtig das Nasenbein berührte.
Er hatte in seinem Leben genug mit gebrochenen Nasen zu tun gehabt – vor Gericht. Er wusste, wie schnell der empfindliche Knorpel sich regenerieren konnte. Und wie häufig er in einem vollständig falschen Winkel wieder anwuchs.
Wenn Mediziner diese Fehlstellung korrigieren wollten, gab es nur eine Möglichkeit: Die Nase ein zweites Mal zu brechen.
Merz nahm Maß. Eine ruckartige Bewegung mit Daumen und Zeigefinger, und …
«Merz?» Dennis’ Stimme klang alarmiert.
Das Gefühl war unbeschreiblich.
Eine Sekunde lang war dem Anwalt schwarz vor Augen, doch dann blinzelte er und holte tief Luft. Schließlich ging es wieder.
«In Ordnung», sagte er und schloss die Augen. «Den Rest kriegen Sie besser hin als ich. Aber seien Sie in Gottes Namen vorsichtig.»
Fünf Minuten später war die Verletzung versorgt. Mit Hilfe zweier zusätzlicher Kompressen hatte Dennis sogar eine behelfsmäßige Schiene gebastelt, während er etwas von
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