Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
einzusammeln.«
Ausnahmsweise erhob Lucie keine Einwände. Denn in Wahrheit war sie völlig erledigt.
» Ich verschwinde schnell, und dann geht’s los.«
Sharko sah ihr seufzend nach. Er hätte sie gerne in die Arme genommen, sie beruhigt und ihr versichert, dass alles gut werden würde. Doch dazu war er im Moment noch viel zu verkrampft. Er trank sein Bier aus, bezahlte den exakt abgezählten Betrag und wartete draußen. Er rief schnell Leclerc an, um ihn zu informieren, dass alles in Ordnung war. Der Leiter der OCRVP teilte ihm seinerseits mit, im Laufe des Tages würde er Richter und die leitenden Beamten des Verteidigungsministeriums treffen, um die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, gegen die Fremdenlegion ermitteln zu können und eine Antwort auf die Frage zu finden, ob Mohamed Abane aufgenommen worden war oder nicht.
Als er auflegte, hatte Sharko endlich den Eindruck, dass die Sache mit Riesenschritten voranging.
Das wurde auch höchste Zeit.
Kapitel 52
Wusste ich’s doch, dass ich Sie hier finden würde…«
Sharko wurde von der hellen Frauenstimme hinter seinem Rücken überrascht. Er hatte es sich in einem Sessel der Hotelbar bequem gemacht, genoss im gedämpften Licht seinen Whisky und schaute dabei in aller Ruhe die Teilnehmerliste der SIGN -Konferenz durch. Die Räumlichkeiten waren elegant ausgestattet: heller Teppichboden, große Kissen auf den roten Bänken, an den Wänden dunkler Velours. Als Lucie näher kam, bemerkte sie das Glas mit Pfefferminzsirup auf dem Tisch.
» Oh, Sie erwarten jemanden?«
» Nein, das Glas stand schon dort.«
Mehr sagte er nicht. Lucie blieb stehen und breitete bedauernd die Arme aus.
» Tut mir leid wegen der Kleidung. Die Jeans sind nicht gerade elegant, aber ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, nach zwanzig Uhr noch auszugehen.«
Der Kommissar lächelte sie müde an.
» Ich dachte, Sie schlafen.«
» Das dachte ich auch.«
Lucie näherte sich einem der freien Sessel ihm gegenüber und wollte sich gerade hinsetzen.
» Nein, nicht dort!«
Sie trat überrascht zurück.
» Sie haben geschwindelt, Sie erwarten doch jemanden. Tut mir leid, ich will Sie nicht stören.«
» Unsinn. Der Sessel wackelt. Was kann ich Ihnen bestellen?«
» Wodka-Orange. Viel Wodka, wenig Orange. Ich brauche unbedingt etwas zum Relaxen.«
Sharko leerte sein Glas und ging zur Bar. Lucie sah ihm nach. Er hatte sich umgezogen, sein kurz geschnittenes, grau meliertes Haar mit Gel frisiert und sich parfümiert. Sein Gang war elegant. Mit seiner ruhigen Art strahlte er eine gewisse Lässigkeit aus, im Grunde aber ließ seine Aufmerksamkeit nie nach. Ein echter Hochleistungsmotor. Lucie warf einen Blick auf die Papiere, die er an seinem Platz hatte liegen lassen. Namen, Vornamen, Geburtsdaten und Funktionen. Einige davon waren durchgestrichen.
Der Kommissar kam mit zwei Gläsern zurück und reichte eines Lucie, die ihren Sessel näher an seinen geschoben hatte. Sie deutete mit dem Kopf auf die Papiere.
» Ist das die Liste der Wissenschaftler, die zur Zeit der Morde in Kairo waren?«
» Zweihundertundsiebzehn. Damals waren sie zwischen zweiundzwanzig und dreiundsiebzig Jahre alt. Falls die Mörder von Kairo mit denen von Gravenchon identisch sind, muss man sechzehn Jahre hinzurechnen. Damit fallen schon mal eine ganze Menge weg.«
Er legte die Blätter aufeinander, faltete sie zusammen und schob sie in seine Tasche.
» Ich habe ganz aktuelle schlechte Neuigkeiten, die aber eigentlich gute Neuigkeiten sind. Soll ich es Ihnen gleich sagen?«
» Ja, bitte sofort. Sie haben ja selbst gesagt, dass es für alles einen richtigen Zeitpunkt gibt. Und anschließend muss ich mich dann unbedingt etwas entspannen.«
» Also gut: Colonel Bertrand Chastel wurde heute in seinem Haus aufgefunden. Er hat sich am Vormittag mit seiner Dienstwaffe das Leben genommen.«
Lucie musste die Nachricht erst einmal verarbeiten.
» War es mit Sicherheit Suizid?«
» Der Gerichtsmediziner und die Ermittler haben keine Zweifel, die Details erspare ich Ihnen. Und die andere Neuigkeit: Laut den Angaben vom Flughafen hieß der Kerl, der im Flugzeug neben Ihnen saß und im Chalet verbrannt ist, Julien Manœuvre. Ein Berufssoldat der DCILE – Division Communication et Information– der Fremdenlegion. Das ist die Abteilung, in der die Filme für die Armee hergestellt werden.«
» Unser vielzitierter Cineast und Mörder… der Mann mit den Rangers…«
» Ja, tatsächlich. Und rein zufällig befand
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