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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franck Thilliez
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mischte sich mit dem der Feuerwehrautos, die vor den Überresten des Chalets standen. Die Männer waren unglaublich schnell gekommen, und die starken Wasserwerfer hatten den Brand eingedämmt, ehe er auf den umliegenden Wald übergreifen konnte. Doch von Philip Rotenbergs Haus blieben nur Asche und Rauch.
    Die Männer der Gendarmerie Royale bewegten sich vorsichtig um die beiden verkohlten Leichen, unterstützt von der Spurensicherung, die Fotos machte und nach möglichen Indizien suchte. Ein buntes Ballett der unterschiedlichsten Uniformen: die roten Jacken, blauen Hosen mit gelber Tresse, Reitstiefel und breitkrempigen Hüte der Gendarmerie, die weißen Schutzanzüge der Männer von der Kriminaltechnik und die schwarzen Blousons und Drillichhosen der Feuerwehrleute. Alle waren perfekt aufeinander eingespielt.
    Lucie hatte man Handschellen angelegt. Keine Gewalt oder Feindseligkeit, einfach nur die Einhaltung der Vorschriften. Ihre Papiere und Aufzeichnungen sowie ihr Rucksack waren verbrannt, und sie hatte mit mehreren Schüssen einen Mann getötet. Der Revolver, den man neben ihr gefunden hatte, war gerade in einen durchsichtigen Plastikbeutel verpackt worden und würde einer ballistischen Untersuchung unterzogen werden.
    Um 23:05 Uhr kanadischer Zeit wurde Lucie von Inspektor Pierre Monette, Leiter der Polizeistation Trois-Rivières, in Untersuchungshaft genommen.
    In dem hochmodernen Bau nahm man ihr noch die restlichen Sachen ab – der Schlüssel, den ihr Rotenberg anvertraut hatte, verschwand in einem durchsichtigen Tütchen. Zwei nicht gerade zartbesaitete Männer verhörten sie in einem solchen Tempo, dass ihr kaum Zeit zum Luftholen blieb. Lucie erklärte die Lage, so gut sie konnte. Sie erzählte von den Morden in Frankreich, den Experimenten der Fünfzigerjahre, ihren Recherchen in den Archiven und der Pseudo-Entführung durch Rotenberg. In ruhigem, beherrschtem Ton forderte sie die Beamten– die skeptische Blicke wechselten– auf, Kontakt mit der Sûreté von Quebec und der französischen Polizei aufzunehmen, um ihre Aussage zu überprüfen. Sie gab exakt alle Kontakte und Telefonnummern an, die sie auswendig wusste.
    Das Amtshilfeersuchen würde sie sicherlich retten, selbst wenn in einer solchen Situation ein französischer Polizist eigentlich nicht handelnd eingreifen durfte, schon gar nicht mit Waffengewalt.
    Ihr besonnenes Verhalten und ihre einleuchtenden Erklärungen ersparten ihr trotzdem nicht die Nacht in der Zelle. Und auch diesmal protestierte Lucie nicht. Sie wusste, wie Ermittlungen abliefen und mit welch komplexem Tatbestand die Beamten konfrontiert waren. Zwei verkohlte Leichen in einem abgelegenen Wald, eine Französin ohne Papiere, Geschichten von CIA und Geheimdiensten: Das war keine Kleinigkeit. Die Überprüfungen würden mit Sicherheit Zeit brauchen.
    Das Wichtigste war, dass sie lebte.
    Als sie sich allein in dem kleinen rechteckigen Raum befand, sank sie, am Ende ihrer Kräfte, auf die Bank. Heute Abend hatte sie einen Mann getötet, den zweiten Menschen in ihrer Laufbahn. Jemanden zu töten, wer auch immer er gewesen sein mochte, hinterließ eine tiefe, dunkle Spur in der Seele. Etwas Unaussprechliches, das einen lange heimsuchte.
    Sie dachte an Rotenberg, der ihr gerade alles enthüllen wollte. Wie den Filmrestaurator hatte sie auch ihn den Killern ausgeliefert. Dieser Mann, der sich im tiefsten Wald versteckt hatte, hatte für ihre Unachtsamkeit bezahlen müssen.
    Diese Dreckskerle hatten sich ihrer ein zweites Mal bedient. Lucie verabscheute sich selbst dafür.
    Inspektor Pierre Monette kam regelmäßig vorbei, um nach ihr zu sehen. Er brachte Wasser und Kaffee und bot ihr sogar eine Zigarette an, die sie allerdings ablehnte. Spät in der Nacht erklärte er, alles gehe seinen Lauf, und sie wäre sicherlich vor dem nächsten Mittag frei.
    Die folgenden Stunden zogen sich unendlich in die Länge. Keine Besuche mehr, niemand, mit dem sie sprechen konnte. Nur die Sonne, die hinter der Fensterscheibe des trübseligen grauen Kämmerchens am Himmel aufging. Lucie dachte die ganze Zeit über an ihre Töchter. Heute Nacht wäre sie fast ums Leben gekommen. Was wäre dann aus den Kleinen geworden, Waisenkinder ohne Vater und Mutter? Lucie seufzte tief. Sobald diese Geschichte vorbei wäre, würde sie sich wirklich Zeit nehmen, um über ihre Zukunft nachzudenken.
    Um 10:10 Uhr zeichnete sich eine Gestalt in der Sicherheitsschleuse ab.
    Lucie hätte sie unter Tausenden erkannt.
    Franck

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