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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Hand des Blauen-Feuer-Kults gegeben hatte.
    In diesem eher rationalen Klima spürte Mondschein, wie ein Teil seiner bohrenden Ungeduld verebbte. Jetzt brauchte er nicht mehr länger von seiner Versetzung nach Santa Fe zu träumen – er war ja da; im wahrsten Sinn des Wortes, als Teil der Forschungen. Nun konnte er nur noch abwarten, daß die einzelnen Stationen des Fortschritts erreicht wurden – und hoffen.
    Er lernte neue Freunde kennen. Er entwickelte neue Interessen. Mit Capodimonte machte er Ausflüge zu den antiken Ruinen, und mit einem schmächtigen Altardiener ging er in den Picuri-Hügeln jagen. Und er trat dem örtlichen Chor bei und sang dort einen leidenschaftlichen Tenor.
    Er fühlte sich hier glücklich.
    Er wußte natürlich nicht, daß er hier eigentlich für die Häretiker spionieren sollte. Die Erinnerung daran war sehr effektiv aus seinem Bewußtsein gelöscht worden. An deren Stelle befand sich ein abrufbereiter Mechanismus, der in einer Nacht am Septemberanfang ausgelöst wurde. Und ganz plötzlich spürte Mondschein, daß er einem merkwürdigen Zwang ausgesetzt worden war.
    Es war die Nacht des Meson-Experiments, die Nacht des Herbstes, in der Tag und Nacht gleich lang waren. Mondschein trug seine blaue Robe und stand zwischen Capodimonte und Weber in der Kirche. Er sah auf das Strahlen des Reaktors und lauschte einer intonierenden Stimme.
    „Die Welt dreht sich weiter, und die Konfigurationen ändern sich. Ein bestimmter Energiestoß strömt im Leben der Menschen hoch, wenn sie Zweifel und Ängste hinter sich gelassen haben und die Sicherheit in ihnen geboren wird. Wie ein Lichtblitz kommt dieser Energiestoß – eine Woge der inneren Strahlung, ein Gefühl der Einheit mit …“
    Mondschein verkrampfte sich. Das waren Vorsterworte, Worte die er schon unzählige Male gehört hatte; Worte, die ihm so vertraut waren, daß sie sich schon fest in sein Gehirn eingegraben hatten. Dennoch schien er sie jetzt zum ersten Mal zu vernehmen. Als die Worte „ein Gefühl der Einheit“ ausgesprochen wurden, keuchte Mondschein, mußte sich am Vordersitz festkrallen und hätte sich fast vor Schmerzen gekrümmt.
    Er hatte den Eindruck, ein scharfes Messer schneide in seinen Eingeweiden.
    „Ist mit dir alles in Ordnung?“ flüsterte Capodimonte.
    Mondschein nickte. „Nur … ach, gar nichts …“
    Er zwang sich, wieder gerade zu stehen. Aber er wußte, daß er ganz und gar nicht in Ordnung war. Irgend etwas stimmte nicht, aber er konnte die Ursache dafür nicht erkennen. Er war besessen. Er war nicht länger Herr seiner selbst. Ob er wollte oder nicht, er mußte dem inneren Befehl gehorchen, dessen Natur er sich im Moment nicht erklären konnte. Aber er spürte, daß er zum rechten Zeitpunkt alles erfahren würde; und er wußte, daß er sich dem Befehl nicht widersetzen könnte.

 
7
     
     
     
    Sieben Stunden später, zu tiefsten Nachtzeit, wußte Mondschein, daß es soweit war.
    Schweißgebadet erwachte er und schlüpfte in seine Robe. Im Schlafsaal herrschte Ruhe. Er gelangte leise in die Halle hinunter und trat in den Antigrav-Schacht. Wenige Augenblicke später befand er sich auf dem Platz vor den Wohneinheiten.
    Die Nacht war kalt. Hier auf diesem Plateau verging die Hitze des Tages rasch, sobald sich erst einmal die Dunkelheit über das Land gesenkt hatte. Leicht zitternd lief Mondschein durch die Straßen des Zentrums. Nirgends standen Wachen; in dieser sorgfältig abgesperrten und von Überwachungsschirmen peinlich genau gesicherten Kolonie der Gläubigen brauchte niemand etwas zu befürchten. Irgendwo mochte vielleicht ein aufmerksamer Esper wach sein und nach feindlichen Gedanken Ausschau halten. Aber von Mondschein strömte nichts Feindliches aus. Er wußte ja gar nicht, wohin er ging oder was er überhaupt vorhatte. Der Zwang, der ihn dazu trieb, befand sich so tief versteckt in seinem Gehirn, daß er von den begrenzten Fähigkeiten eines Espers nicht entdeckt werden konnte. Der Zwang befehligte Mondscheins Bewegungszentrum, hütete sich aber vor seinem Bewußtsein.
    Mondschein gelangte zu einem Informationszentrum, einem heruntergekommenen Ziegelsteingebäude ohne Fenster. Mondschein preßte eine Hand gegen den Türschirm und wartete darauf, identifiziert zu werden. Im Bruchteil einer Sekunde wurde seine Handfläche analysiert, in der Personalliste identifiziert, und er wurde eingelassen.
    In seinem Gehirn strömte das Wissen davon hoch, was er hier suchte: eine holographische

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