Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
denn nichts von dem mit, was hier vor sich geht?“
    Mondschein befand sich nun seit einer Woche im Forschungszentrum. Er kannte sich noch immer nicht besonders gut auf diesem Gelände aus, aber er hatte schon eine Menge gelernt. Er wußte zum Beispiel, daß eine ganze Stadt nur für Esper drüben, auf der anderen Seite des trockenen Flußbetts, welches das Zentrum in zwei Teile zerschnitt, errichtet worden war. Sechstausend Menschen lebten dort. Keiner war älter als vierzig, und sie vermehrten sich wie die Kaninchen. Fruchtbarkeits-Fließband hieß der Platz allgemein. Man hatte von der Regierung eine Genehmigung erhalten, dort unbegrenzt Kinder zu gebären. Manche Familien hatten bereits fünf bis sechs Kinder.
    Ein sehr langsamer Weg, um einen neuen Menschentypus sich entwickeln zu lassen. Man nehme einen Haufen von Personen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, setze ihn in eine abgeschlossene Umgebung, lasse die Leute sich selbst ihre Bettgefährten aussuchen und kann so den genetischen Vorrat vergrößern – nun, das war der eine Weg. Ein anderer Weg bestand darin, direkt am Zellplasma anzusetzen. Auch an dieser Möglichkeit wurde hier gearbeitet, und das auf vielfältige Weise: tektogenetische Mikrochirurgie, polynukleare Verschmelzung, DNS-Manipulationen – man versuchte es mit allen Mitteln. Man schnitt die Gene auf und zerlegte sie, verschob die Chromosomen und wollte die biologischen Systeme dazu bringen, etwas zu replizieren, das sich ein wenig vom Ausgangsmodell unterschied – das war das Ziel.
    Wie gut mochte man damit zurechtkommen? Bis jetzt war das noch schwer zu sagen. Es würde fünf bis sechs Generationen dauern, bis man mit den Resultaten etwas anfangen konnte. Als einfacher Altardiener verfügte Mondschein nicht über genug Informationen, um sich ein Urteil darüber erlauben zu können. Genausowenig wußten diejenigen Bescheid, mit denen er Kontakt hatte – in der Hauptsache Techniker. Aber man konnte Spekulationen anstellen, und das taten sie, bis tief in die Nacht hinein.
    Was Mondschein weit mehr interessierte als die Experimente am genetischen Material der Esper, waren die Arbeiten an der Lebensverlängerung. Auch hier bedienten sich die Vorster einiger bereits etablierter Techniken. Die Organbanken versorgten sie mit Ersatzstücken für die meisten Körperteile: Lungenflügel, Augen, Herzen, Eingeweide, Bauchspeicheldrüsen und Nieren; alles konnte heute transplantiert werden, indem man sich der verschiedenen Bestrahlungstechniken bediente, um die körpereigenen Abwehrkräfte gegen fremdes Eiweiß auszuschalten. Aber solche Stückwerk-Lebenserhaltung war noch nicht die eigentliche Unsterblichkeit. Die Vorster suchten nach einem Weg, der die Körperzellen dazu brachte, unbrauchbares Gewebe von selbst zu regenerieren, so daß der Impuls zum endlosen Leben von innen her kam und nicht von externen Manipulationen.
    Mondschein leistete seinen kleinen Beitrag dazu. Wie die meisten rangniedrigen Personen im Zentrum war er dazu vorgesehen, alle paar Tage ein Stückchen seines Fleisches für experimentelle Zwecke abzugeben. Diese Biopsien waren zwar arg lästig, aber sie gehörten auch zur täglichen Routine. Mondschein entrichtete regelmäßig seinen Beitrag an die Spermabank. Als Nicht-Esper diente er als Kontrollparameter für den Fortschritt der Forschungen. Wie sollte man auch das Gen für Teleportation finden? Oder für Telepathie? Für jedes der paranormalen Phänomene, die unter dem gemeinsamen Oberbegriff „ESP“ oder „PSI“ versteckt lagen?
    Mondschein arbeitete willig mit. Er spielte seine kleine Rolle in der großen Schlacht und war sich darüber bewußt, in diesem Ringen nichts Besseres als ein gewöhnlicher Infanterist zu sein. Er kam von einem Labor zum nächsten und unterwarf sich dort Tests und Spritzen. Und wenn er einmal gerade nicht in den Labors gebraucht wurde, kam er seinen Spezialfähigkeiten nach, nämlich im Atomkraftwerk zu arbeiten, welches das gesamte Zentrum mit Energie versorgte.
    Das Leben hier unterschied sich doch von dem in der N’York-Kirche. Keine normalen Leute kamen hierher – keine Gläubigen –, und so war es für Mondschein nicht schwer zu vergessen, daß dies hier eigentlich das Zentrum einer religiösen Bewegung war. Natürlich wurden hier regelmäßig Andachten abgehalten, aber alles lief so professionell ab, daß es allzu oberflächlich wirkte. Ohne die Anwesenheit von Laien war es schwer, sich daran zu erinnern, daß man sich eigentlich in die

Weitere Kostenlose Bücher