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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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anstarrten. Verstecktes Getuschel ließ sich vernehmen.
    Zehn Minuten später fand sich Mondschein in einem kreisrunden Raum im vierten Stock des Hauptverwaltungsgebäudes vom Forschungszentrum wieder. Er war von mehr Bruderschaftsmönchen umgeben, als er je auf einem Fleck zusammen gesehen hatte. Acht Brüder standen dort, und allesamt bekleideten sie hohe Ränge. Ein Knoten bildete sich in Mondscheins Magen. Licht stach ihm in die Augen.
    „Die Esperin ist da“, murmelte jemand.
    Man hatte ein Mädchen geschickt. Sie mochte kaum sechzehn sein, hatte ein teigiges Gesicht und war auch sonst recht unansehnlich. Ihre Haut war von kleinen roten Bläschen überzogen. Die Augen waren in ständiger Alarmbereitschaft, glänzten auf unangenehme Weise und standen niemals still. Mondschein war sie schon vom ersten Augenblick an unsympathisch. Aber er bemühte sich, dieses Gefühl zu unterdrücken, da er wußte, daß sie sein Schicksal mit einem Wort besiegeln konnte. Aber sein Manöver war natürlich sinnlos. Sie entdeckte seine Antipathie schon in dem Moment, als sie zur Tür hereintrat. Ihre plumpen Lippen verzogen sich kurz zu einem Lächeln. Sie richtete ihren plumpen Körper auf.
    Inspektor Magnus sagte: „Das ist der Mann. Was lesen Sie in seinen Gedanken?“
    „Angst. Haß. Trotz.“
    „Und wie steht’s mit seiner Loyalität?“
    „Seine Loyalität gehört am ehesten seiner eigenen Person“, sagte die Esperin und verschränkte selbstgefällig die Hände vor dem Bauch.
    „Hat er uns hintergangen?“ wollte Magnus wissen.
    „Nein, ich entdecke nichts, das darauf hinweisen würde.“
    Mondschein fragte: „Wenn ich darum bitten dürfte, mich über den Grund dieser …“
    „Still“, sagte Magnus mit lähmender Stimme.
    Ein anderer Inspektor sagte: „Aber die Beweislast ist unumstößlich. Vielleicht macht das Mädchen etwas falsch.“
    „Durchleuchten Sie ihn intensiver“, ordnete Magnus an. „Gehen Sie Tag für Tag in seiner Erinnerung zurück. Übersehen Sie nichts. Sie wissen, wonach wir suchen.“
    Fassungslos sah Mondschein auf die ihn umgebenden steinernen Gesichter, um jemanden zu finden, an den er sich wenden konnte. Das Mädchen schien Schadenfreude zu empfinden. Stinkige Voyeurin, dachte Mondschein. Viel Vergnügen.
    Das Mädchen sagte dünn: „Er glaubt, das hier mache mir Spaß. Er sollte bei Gelegenheit mal durch eine Abtrittsgrube schwimmen, wenn er unbedingt wissen will, wie es mir ergeht.“
    „Durchleuchten Sie ihn“, sagte Magnus. „Es ist schon spät, und wir haben ihm noch eine Menge Fragen zu stellen.“
    Sie nickte. Mondschein wartete auf irgendein Gefühl oder so etwas Ähnliches, das ihn darüber aufklärte, daß seine Erinnerungen durchsucht wurden; vielleicht das Gefühl von unsichtbaren Fingern, die sein Gehirn durchbohrten. Aber er spürte nichts dergleichen. Lange Augenblicke vergingen in völligem Schweigen. Dann warf das Mädchen triumphierend den Kopf hoch.
    „Die Nacht zum 13. März ist gelöscht worden.“
    „Können Sie die Löschung durchbrechen?“ fragte Magnus.
    „Unmöglich. Hier sind Experten am Werk gewesen. Sie haben die ganze Nacht aus seiner Erinnerung herausgeschnitten. Und sie haben die Lücke vollständig mit künstlichen Erinnerungen ausgefüllt. Er hat keine Ahnung, was er angestellt hat“, sagte das Mädchen.
    Die Inspektoren tauschten untereinander Blicke aus. Mondschein spürte, wie ihm der Schweiß durch die Kleidung drang. Der scharfe Geruch stach ihm in der Nase. Ein Muskel pochte an seiner Wange, und seine Stirn schmerzte mörderisch, aber er ließ sich nichts anmerken.
    „Sie können gehen“, sagte Magnus.
    Nachdem die Esperin verschwunden war, lockerte sich die Atmosphäre ein wenig, aber Mondschein sah noch keinen Anlaß, sich zu entspannen. Völlig leer und hoffnungslos, kam der Altardiener sich so vor, als sei er vor Gericht geschleppt und dort im voraus für ein Verbrechen verurteilt worden, von dessen Natur er nicht die leiseste Ahnung hatte. Ihm fielen einige von den grausamen Geschichten über die Rachsucht der Bruderschaft ein: über den Mann, dem man das Schmerzzentrum entfernt hatte … über den Esper, den man angebunden und einer ungeheuren Überreizung ausgesetzt hatte … über den Biologen, bei dem man einen operativen Eingriff in die weiße Gehirnsubstanz vorgenommen hatte … über den verräterischen Inspektor, den man sechsundneunzig Stunden an einem Stück in die Nichts-Kammer gesteckt hatte. Mondschein begriff, daß er

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