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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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in Albuquerque, etwa zwanzig Minuten Fahrt, befand.
    „Wir haben Sie schon erwartet“, erklärte ihm dort ein Harmonist in einer wallenden grünen Robe. „Ich bin angewiesen, meine Vorgesetzten sofort in Kenntnis zu setzen, sobald Sie hier Auftauchen.“
    Mondschein überraschte das nicht. Auch verwunderte es ihn nicht sonderlich, daß man ihm kurze Zeit später erklärte, er solle unverzüglich mit einem Schnellgleiter nach Rom gebracht werden. Außerdem wurde ihm gesagt, daß die Harmonisten für alle seine Unkosten aufkämen.
    Eine schlanke Frau mit chirurgisch veränderten Lidern holte ihn am Flughafen Rom ab. Sie kam ihm nicht bekannt vor, aber sie lächelte ihn an, als seien sie alte Freunde. Er wurde von ihr in ein Haus auf der Via Flaminia geführt, etwa ein Dutzend Meilen nördlich von Rom gelegen. Dort erwartete ihn ein stämmiger, fahlgesichtiger Harmonistenbruder, der über eine riesige Nase verfügte.
    „Willkommen“, sagte der Harmonist. „Erinnern Sie sich an mich?“
    „Nein, ich – ja. Ja!“
    Plötzlich fiel ihm alles wieder ein; das verwirrte ihn und ließ ihn schwanken. Drei Häretiker hatten sich damals in diesem Raum befunden, nicht bloß einer. Und man hatte ihm Wein zu trinken gegeben und ihm eine Stelle in der Harmonistenhierarchie angeboten. Er hatte zugestimmt und sich nach Santa Fe einschleusen lassen – als Soldat im großen Kreuzzug, als Streiter des Lichts, als Spion der Harmonisten.
    „Sie haben sehr gute Arbeit geleistet, Mondschein“, sagte der Häretiker salbungsvoll. „Wir haben nicht erwartet, daß man Sie so rasch fassen würde; aber wir besaßen auch keine vollständigen Kenntnisse über ihre Sicherheits- und Ermittlungsverfahren. Wir konnten Sie nur gegen die Esper schützen, und das ist uns wohl hinreichend gelungen. Aber alles in allem sind die Informationen, die Sie uns überbrachten, außerordentlich nützlich für uns.“
    „Und Sie werden Ihren Teil des Abkommens einhalten? Bekomme ich einen Posten auf der zehnten Ebene?“
    „Selbstverständlich. Sie haben doch wohl nicht angenommen, wir würden Sie hintergehen, oder? Sie nehmen an einem dreimonatigen Ideologie-Kurs teil, damit Sie Einsicht in unsere Bewegung erhalten. Dann werden Sie in Ihren neuen Aufgabenbereich in unserer Organisation eingesetzt. Was wäre Ihnen lieber, Mondschein – der Mars oder die Venus?“
    „Mars oder Venus? Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht folgen.“
    „Wir setzen Sie in unserer Missionsabteilung ein. Sie werden die Erde im nächsten Sommer verlassen, um unsere Arbeit in einer der Kolonien zu fördern. Sie haben die freie Auswahl, sich für die Welt zu entscheiden, die Ihnen am meisten zusagt.“
    Mondschein war wie betäubt. So etwas war niemals seine Absicht gewesen.
    Man verkaufte sich mit Haut und Haaren den Häretikern, bloß um auf eine fremde Welt verschifft zu werden und dort möglicherweise den Märtyrertod zu sterben – nein, so etwas hätte er nie erwartet.
    Faust hat seine Schwierigkeiten auch nicht voraussehen können, dachte Mondschein bitter.
    Er sagte: „Was ist das denn nun wieder für eine Gemeinheit? Sie haben kein Recht, mich zum Missionar zu machen!“
    „Wir haben Ihnen einen Posten auf der zehnten Ebene angeboten“, sagte der Harmonist ganz ruhig. „Die Wahl der Abteilung blieb jedoch uns vorbehalten.“
    Mondschein schwieg. Ein wildes Pochen tobte in seinem Schädel. Das Gesicht des Harmonisten schien sich zu verwischen und zu zittern. Es blieb ihm frei zu gehen – einfach zur Tür hinaustreten und in der Masse zu verschwinden, ein Nichts zu werden. Oder er konnte annehmen und zu einem – ja, was? – werden. Alles Denkbare.
    Schon nach sechs Wochen sterben … nichts war ausgeschlossen.
    „Ich nehme an“, sagte er. „Die Venus. Ich gehe zur Venus.“ Seine Worte klangen wie das Zukrachen einer Zellentür.
    Der Harmonist nickte. „Das dachte ich mir“, sagte er. Er wandte sich ab, um nach draußen zu gehen, hielt dann aber inne und starrte Mondschein neugierig an. „Haben Sie wirklich geglaubt, Sie könnten sich Ihren Posten aussuchen, Sie – Spion?“

 
     
     
     
Wohin die Veränderten gehen
2135

 
1
     
     
     
    Der venusische Junge tanzte behende um die Ansammlung von Unheilspilzen hinter der Kirche herum. Geschickt und erfahren wich er den graugrünen Mordpflanzen aus. Er übersprang die gummiartige Vertiefung des Klebbaums und näherte sich der ordentlichen Reihe von namenlosen spitzen Stöcken, die den Hintergarten

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