Öffnet den Himmel
worden. Die Turbulenz des Landevorgangs, als das Schiff durch die Wolkendecke stieß, hatte ihn bestürzt. Danach erholte er sich jedoch wieder. Ganz still saß er da, ein Mann mit einem spitzen Gesicht und blassen, tief in den Höhlen liegenden Augen. Auf dem Raumhafen bekam er seinen ersten Eindruck von der Venus: ein flaches, schmutziges Feld, das sich über vielleicht eine halbe Meile erstreckte. Das Feld wurde von einer Reihe häßlicher Bäume mit dicken Wurzeln und unzähligen bläulichen Blättern begrenzt, die irgendwie bedrohlich wirkten. Der Himmel war grau, und herumwirbelnde Brocken von tief hängenden Wolken formten sich ständig verschiebende Muster vor dem dunklen Hintergrund. Robot-Techniker sausten aus einem viereckigen, fremdartig wirkenden Gebäude, um das Schiff zu versorgen. Die Passagiere strömten nach draußen.
Im Zollamt starrte ein Venusier aus einer niedrigen Kaste den Vorster mit unverhohlener Gleichgültigkeit an. Er nahm Martells Paß entgegen und sagte kühl: „Kirchenmann?“
„Das stimmt.“
„Wieso kommen Sie hierher?“
„Auf Grund des Vertrags von 2128“, sagte Martell. „Danach darf eine begrenzte Menge irdischer Beobachter für wissenschaftliche, ethische oder …“
„Schluß damit.“ Der Venusier preßte die Fingerspitze auf eine Seite im Paß, und ein wunderbar glänzender Visastempel erschien. „Nicholas Martell. Sie werden hier umkommen, Martell. Warum gehen Sie nicht dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind? Dort sollen die Menschen doch ewig leben können, oder?“
„Sie leben sehr lange. Aber ich habe hier etwas zu erledigen.“
„Dummkopf.“
„Vielleicht“, stimmte Martell zu. „Darf ich gehen?“
„Wo wollen Sie denn unterkommen? Wir haben hier keine Hotels.“
„Die marsianische Botschaft wird mich so lange aufnehmen, bis ich mich hier eingelebt habe.“
„Sie werden sich nie hier einleben“, sagte der Venusier.
Martell widersprach ihm nicht. Er wußte, daß selbst ein Angehöriger der niedrigen Venusierkaste sich jedem Erdenbürger überlegen fühlte. Und ein Widerspruch mochte vielleicht als tödliche Beleidigung aufgefaßt werden. Martell war für Messer-Zweikämpfe nicht ausgebildet worden. Aber da er von Natur aus keine stolze Persönlichkeit war, war er bereit, alle Schmähungen zu schlucken, solange das seiner Mission diente.
Der Zollbeamte winkte ihm, er solle weitergehen. Martell packte seinen einzigen Koffer und trat aus dem Gebäude. Jetzt ein Taxi, dachte er. Von der Stadt trennten ihn etliche Meilen. Er brauchte Erholung und mußte mit Weiner, dem marsianischen Botschafter, konferieren. Die Marsianer begrüßten nicht gerade ausdrücklich sein Vorhaben, aber zumindest waren sie gewillt, Martells Gegenwart zu dulden. Es gab keine irdische Botschaft hier, noch nicht einmal ein Konsulat. Die Verbindungen zwischen der Mutterwelt und ihrer stolzen Kolonie waren schon vor langer Zeit zerrissen.
Am anderen Ende des Hafens standen Taxis bereit. Martell marschierte auf sie zu. Der Boden knirschte unter seinen Füßen, als handle es sich nur um eine dünne, spröde Kruste. Der ganze Planet wirkte düster. Nicht die Spur eines Sonnenstrahls gelangte durch die Wolkendecke. Was allerdings Martells umgewandelten Körper anging, so funktionierte dieser zufriedenstellend.
Der Raumschiffhafen machte einen tristen Eindruck, dachte der Vorster. Kaum eine Menschenseele schien sich hier aufzuhalten, nur Roboter. Eine Belegschaft von vier Venusiern leitete den Hafen, dann hielten sich hier noch die neunzehn Einheimischen vom Schiff auf und die zehn Marsianer; aber das war schon alles. Die Venus war nur dünn besiedelt, kaum mehr als drei Millionen Menschen bewohnten die sieben weit auseinanderliegenden Städte. Die Venusier waren wie die Grenzer aus der amerikanischen Pionierzeit. Ihr Hochmut war sprichwörtlich. Sie hatten hier ja auch genug Platz und Ellenbogenfreiheit, um Hochmut zu entwickeln, dachte Martell. Sie sollten bloß mal eine Woche auf der überfüllten Erde verbringen, dann würden sie sich schon eines Besseren belehren lassen.
„Taxi!“ rief der Vorster.
Keiner der Robotwagen scherte aus der Reihe aus. Waren hier selbst die Roboter zu hochmütig, fragte sich Martell? Oder stimmte irgend etwas nicht mit seiner Aussprache? Wieder rief er – und wieder das gleiche Ergebnis.
Dann begriff er. Die venusischen Reisenden erschienen und betraten den Stellplatz der Taxis. Und ganz natürlich hatten sie den Vortritt. Martell
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