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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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umgaben. Der Junge grinste die Stöcke an, und sie taten sich vor ihm auf, genauso wie einst das Rote Meer sich aufgetan hatte, um Moses hindurchzulassen.
    „Hier bin ich“, sagte er zu Nicholas Martell.
    „Ich dachte nicht, daß du zurückkehren würdest“, sagte der Vorster-Missionar.
    Der Junge – er hieß Elwhit – sah ihn schelmisch an. „Bruder Christopher sagte, ich dürfe nicht mehr zurückkommen. Deshalb bin ich jetzt hier. Erzähle mir etwas vom Blauen Feuer. Kannst du tatsächlich bewirken, daß die Atome Licht geben?“
    „Komm mit rein“, sagte Martell.
    Der Junge repräsentierte seinen ersten Erfolg, seit Martell auf die Venus gekommen war; allerdings war es bislang noch ein sehr mäßiger Erfolg. Aber Martell bereitete das keinen großen Kummer. Immerhin war der erste Schritt getan. Ein ganzer Planet stand hier bereit, erobert zu werden. Vielleicht sogar ein ganzes Universum.
    In der Kirche wurde der Junge ganz leise, so als sei er plötzlich schüchtern geworden. Er mochte kaum älter als zehn Jahre sein, überlegte Martell. War er nur aus Boshaftigkeit hierhergekommen? Oder kam er als Spion der Häretikerkirche, die ein Stück weiter die Straße hinunter lag? Egal, Martell wollte ihn als potentiellen Konvertierenden behandeln. Er aktivierte den Altar, und das Blaue Feuer durchzog den kleinen Raum. Farben tanzten auf den Streben der gerippten hölzernen Decke. Energie wogte in dem Kobalt-Würfel, und die ungefährlichen, aber dramatischen Strahlen entlockten Elwhit ein furchtsames Keuchen.
    „Das Feuer ist ein Symbol“, murmelte Martell. „Dem Universum liegt eine tiefe Einheit zugrunde – die gewöhnlichen Bausteine, verstehst du? Weißt du, was atomare Partikel sind? Protonen, Elektronen, Neutronen? Die Dinge, aus denen alles gemacht ist?“
    „Ich kann sie berühren“, sagte Elwhit. „Ich kann sie bewegen.“
    „Willst du mir das einmal zeigen?“ Martell erinnerte sich daran, wie der Junge die messerscharfen Stöcke im Hintergarten geteilt hatte. Ein Blick, ein geistiger Impuls, und schon hatten sie sich aufgetan. Diese Venusier beherrschten Telekinese – dessen war Martell sich sicher. „Wie bewegst du denn Dinge?“ fragte er.
    Der Junge reagierte nur mit einem Achselzucken auf die Frage und schien sie nicht weiter zu beachten. „Erzähle mir mehr vom Blauen Feuer“, sagte er.
    „Hast du das Buch gelesen, das ich dir gegeben habe? Das Buch von Vorst? Darin steht alles, was du wissen mußt.“
    „Bruder Christopher hat es mir abgenommen.“
    „Hast du es ihm denn gezeigt?“ sagte Martell verdutzt.
    „Er wollte wissen, warum ich zu dir gegangen bin. Ich sagte, du hättest mit mir gesprochen und mir ein Buch gegeben. Er nahm das Buch, und ich bin zurückgekommen. Sag mir, warum du hier bist, und sag mir, was du lehrst.“
    Martell hatte nicht damit gerechnet, daß sein erster Gläubiger ein Kind sein würde. Vorsichtig sagte er: „Unsere Religion ist jener, die Bruder Christopher lehrt, sehr ähnlich. Aber es gibt einige Unterschiede. Seine Leute legen viel Wert auf Geschichten. Die Geschichten sind ganz gut, aber es sind eben nur Geschichten.“
    „Meinst du die von Lazarus?“
    „Genau. Es sind Märchen und nicht mehr. Wir bemühen uns, auf solche Mittel nicht angewiesen zu sein. Wir bemühen uns, direkt mit den Grundlagen des Universums in Verbindung zu treten. Wir …“
    Der Junge verlor das Interesse. Er zupfte an seiner Tunika und rutschte unruhig auf dem Stuhl herum. Der Altar faszinierte ihn in Wahrheit und sonst nichts. Die leuchtenden Augen schweiften immer wieder dorthin.
    Martell sagte: „Das Kobalt ist radioaktiv. Es ist eine Quelle der Beta-Strahlung – Elektronen. Sie strömen durch den Tank und setzen Photonen frei. Daher stammt auch das Licht.“
    „Ich kann das Licht anhalten“, sagte der Junge. „Wirst du böse, wenn ich es anhalte?“
    Martell wußte, daß dies eigentlich ein Sakrileg war. Aber er glaubte, daß es ihm vergeben würde. Jeder Beweis von Telekinese oder Teleportation, den er erhalten konnte, würde sich als nützlich erweisen.
    „Fang an“, sagte er.
    Der Junge rührte sich nicht. Aber die Strahlung wurde abgeschwächt. Es schien, als würde eine unsichtbare Hand in den Reaktor hineingreifen und die herumschießenden Partikel aufhalten. Telekinese auf subatomarer Ebene! Martell verspürte gleichzeitig Begeisterung und furchtvolles Frösteln, während er die Lichtabschwächung beobachtete. Plötzlich loderte es wieder hell auf.

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