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Öffnet den Himmel

Öffnet den Himmel

Titel: Öffnet den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Hältst du dich immer noch für einen Vorster, Bruder?“
    „Ich … weiß selbst nicht, wohin ich gehöre“, antwortete Martell. „Ich muß darüber nachdenken.“
    „Laß mich bald deine Antwort wissen. Hier gibt es viel zu tun, Bruder.“
    Martell konnte nicht ahnen, daß er schon nach einem Tag wußte, wo er wirklich stand.
    Einen Tag nach Bradlaughs Beerdigung landete das Passagierschiff vom Mars, das alle drei Wochen die Venus anlief. Martell wußte nichts davon, bis Mondschein ihn aufsuchte und sagte: „Nimm einen Jungen im Wagen mit und beeile dich. Ein Mann muß gerettet werden.“
    Martell stellte keine Fragen. Irgendwie war die Nachricht über die Esperkette angekommen, und Martells Aufgabe bestand lediglich im Gehorchen. Er bestieg den Wagen. Einer von den kleinen venusischen Altardienern setzte sich neben ihn.
    „Wohin?“ fragte Martell.
    Der Junge gab ihm ein Zeichen. Martell drückte auf den Startknopf. Der Wagen raste die Straße hinunter auf den Landeplatz zu. Als sie knapp fünf Kilometer zurückgelegt hatten, grunzte der Junge, er solle anhalten. Der Wagen hielt.
    Eine Gestalt in einer blauen Tunika stand an der Straßenseite und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm eines mächtigen Baums. Zwei Koffer lagen offen auf der Straße, und ein Untier mit einem rasiermesserscharfen Rückenkamm, einer flachen Schnauze und keilerartigen Hauern wühlte darin herum. Währenddessen attackierte sein Gefährte den neu angekommenen Vorster. Der bedrängte Mann schlug und trat nach dem Tier.
    Der Junge sprang aus dem Wagen. Ohne sichtbare Anstrengung zwang er die beiden Tiere, sich in die Luft zu erheben und gegen einen großen Baum auf der anderen Straßenseite zu krachen. Sie stürzten zu Boden und wirkten verdutzt, hatten ihren Kampfgeist aber noch nicht aufgegeben. Der Junge hob sie wieder hoch und ließ ihre Köpfe gegeneinander sausen. Als sie diesmal am Boden ankamen, warfen sie sich herum und flohen ins Unterholz.
    Martell sagte: „Die Venus scheint Neuankömmlinge immer so zu begrüßen. Mein Empfangskomitee bestand aus einem Wesen, das Rad genannt wird, und von dem ich hoffe, daß Sie ihm nie begegnen werden. Ich wäre heute ein Bündel Streifen, wenn dieser venusische Junge nicht so freundlich gewesen wäre, das Tier umzustoßen. Sind Sie ein Missionar?“
    Der Mann war noch zu durcheinander, um sofort darauf antworten zu können. Er preßte die Hände ineinander, löste sie wieder und richtete dann seine Tunika. Schließlich sagte er: „Ja – ja, ich bin von der Erde.“
    „Dann sind Sie also chirurgisch umgewandelt worden.“
    „Das stimmt.“
    „Mit mir hat man das auch gemacht. Ich heiße Nicholas Martell. Wie stehen denn mittlerweile die Dinge in Santa Fe, Bruder?“
    Der Neuankömmling preßte die Lippen zusammen. Er war ein schmächtiger, kleiner Mann und ein oder zwei Jahre jünger als Martell. Er sagte: „Was sollte Sie das kümmern, wenn Sie Martell sind? Martell, der Häretiker? Martell, der Renegat?“
    „Nein“, sagte Martell. „Die Sache verhält sich so: Ich …“
    Er schwieg. Seine Hände verkrampften sich im Stoff seiner grünen Harmonistenrobe. Seine Wangen brannten. Schmerzhaft wurde ihm bewußt, wie es in Wahrheit um ihn stand – der Wechsel hatte sich von innen her vorgearbeitet. Und plötzlich konnte er den Blick seines umgewandelten Nachfolgers in der Venus-Missionierung nicht mehr ertragen. Er wandte sich ab und starrte in das Dickicht des gar nicht mehr so fremdartigen venusischen Walds.

 
     
     
     
Lazarus steht wieder auf
2152

 
1
     
     
     
    Die Mars-Einschienenbahn Nummer eins, die Hauptlinie, verlief in Ost-West-Richtung wie ein Betongürtel, der die westliche Hemisphäre des Planeten flankierte. Nördlich davon lag der Seedistrikt mit seinen fruchtbaren Feldern; südlich davon, etwas näher am Äquator gelegen, befand sich der Gürtel der donnernden Kompressoranlagen, die soviel geleistet hatten, um das Marswunder zu fördern. Ein genauer Beobachter konnte immer noch die alten Krater und Senken in der Landschaft ausmachen; jetzt lagen sie unter einer dichten Vegetationsschicht aus Steppengras verborgen, die gelegentlich von Pinienwäldchen unterbrochen wurden.
    Die Reihe der grauen Betonträger der Einschienenbahn erstreckte sich bis zum Horizont. Verbindungsstreben trugen die Bahn bis zu den entlegensten Siedlungen. Ständig wurden neue Strecken gebaut, sobald neue Siedlungen entstanden. Aus logistischen Gesichtspunkten wäre es einfacher

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