Öffnet den Himmel
Inhalt eines ganzen Lebensverlängerungslabors gestohlen. Das half uns weiter, war aber nicht genug. Die Grundlage des Wissens fehlte uns immer noch. Auf der anderen Seite können wir auch auf einige Erfolge hinweisen; ich glaube, das ist Ihnen schon aufgefallen. Meinen Sie, das reicht für eine Wiedervereinigung aus? Wir bekommen die Sterne – Sie die Ewigkeit. Bleiben Sie hier und spionieren Sie, Bruder. Ich glaube – und ich weiß, daß Lazarus ebenso dachte –, je weniger Geheimnisse es zwischen uns gibt, desto schneller werden wir vorankommen.“
Martell gab keine Antwort. Ein Junge trat aus dem Wald: ein junger Venusier, möglicherweise derjenige, der ihn vor dem Rad gerettet hatte; vielleicht der Bruder des toten Elwhit. In ihrer Fremdartigkeit waren sie kaum auseinanderzuhalten. Ganz plötzlich änderte sich Mondscheins Verhalten wieder. Er setzte ein breites Lächeln auf; die kosmischen Probleme waren fürs erste vergessen.
„Hol uns einen Fisch“, erklärte er dem Jungen.
„Ja, Bruder Christopher.“
Schweigen folgte. Adern pochten auf der Stirn des Jungen. In der Mitte des Sees kochte das Wasser, und weißer Schaum spritzte hoch. Ein Tier erschien daraus: geschuppt und von mattgelber Farbe. Es erhob sich in die Luft, war drei Meter Wut und Frustration; sein großer Unterkiefer öffnete und schloß sich vergebens. Das Tier sauste auf die Gruppe am Ufer zu.
„So einen nicht!“ keuchte Mondschein.
Der Junge lachte. Der riesige Fisch glitt in den See zurück. Einen Augenblick später wand sich ein buntschillerndes Etwas auf dem Boden vor Martells Füßen – ein zahnbewehrtes, um sich schnappendes Wesen, etwa fünfzig Zentimeter lang, mit Flossen, die wie Beine aussahen, und einem fächerartigen Schwanz, dessen gefährliche Stacheln zuckten und sich drehten. Martell sprang zurück, begriff dann aber, daß er sich nicht in Gefahr befand. Der Kopf des Fisches sackte plötzlich hinunter, als habe eine unsichtbare Faust ihn getroffen, und das Tier lag still da. Martell bekam in diesem Moment furchtbare Angst. Der schmächtige, lachende Junge, der ihnen zunächst einen Streich spielen wollte und das Ungeheuer aus dem Wasser gezogen hatte und danach dieses ebenso tödliche Wesen, brauchte nur einmal mit dem Ohrläppchen zu zucken, um jemanden zu töten.
Martell starrte Mondschein an. „Ihre Telekineten – sind alle Venusier so veranlagt?“
„Alle.“
„Ich hoffe, Sie können sie einigermaßen unter Kontrolle halten.“
„Das hoffe ich auch“, antwortete Mondschein. Er packte den toten Fisch vorsichtig an einer der kräftigen Flossen und hielt ihn so, daß die Schwanzstacheln von ihm fort zeigten. „Eine besondere Delikatesse“, sagte er. „Natürlich muß man zuerst die Giftblasen entfernen. Wir fangen noch zwei bis drei weitere und werden heute abend ein Teufelsfisch-Dinner einnehmen, um Ihre Konvertierung zu feiern, Bruder Martell.“
8
Man wies ihm ein Zimmer zu und übertrug ihm einige niedere Hausarbeiten. In der Freizeit unterrichteten sie ihn in den Lehren der Transzendenten Harmonie. Martell hielt sein Zimmer für ausreichend, und über die Arbeit konnte er sich auch nicht beklagen. Wesentlich schwieriger erwies es sich aber, die Theologie der Harmonisten zu verdauen. Es gelang ihm nicht vorzugeben, daß die Lehre ihm überhaupt etwas bedeutete. Er hielt sie für aufgewärmtes Christentum, versehen mit einem Happen Islam und einer Prise Spät-Buddhismus – und das Ganze war über eine Basisstruktur gekippt worden, die schamlos von Vorst übernommen war – eine unverträgliche Mischung. Vorsts Lehre enthielt schon genug Synkretismus, aber das wurde von Martell so akzeptiert, weil er damit aufgewachsen war. Sich in Häresie zu üben war hingegen eine völlig andere Sache.
Für die Harmonisten begann alles bei Vorst; sie sahen ihn als Propheten an, so wie die Christen Moses und die Moslems Jesus verehren. Natürlich gab es auch hier die spätere Hauptfigur, eben David Lazarus. In den Vorsterschriften wurde Lazarus an keiner Stelle erwähnt. Martell kannte dessen Namen nur aus seinen Studien der Geschichte der Bruderschaft der Immanenten Strahlung; dort tauchte Lazarus lediglich als Randerscheinung auf: Er war ein früher Anhänger Vorsts gewesen und danach einer der ersten Dissidenten.
Aber Vorst lebte, und nach Auffassung beider Gruppen würde er ewig leben, im Einklang mit dem Kosmos als der erste Unsterbliche. Lazarus hingegen war tot, war ein Märtyrer seiner
Weitere Kostenlose Bücher