Öl!
Dad wahrscheinlich für längere Zeit im Exil bleiben müssen; der derzeitige Kongress tagte noch ein halbes Jahr in dieser Zusammensetzung, und die Unruhestifter würden den nützlichen Ölskandal bestimmt bis zur Präsidentenwahl im Herbst am Köcheln halten. Dad schickte Telegramme in sein Büro und Funktelegramme an Bord von Vernes Schiff; und kurz darauf traf Vernes Antwort ein, mit der Bitte, sich unverzüglich in London mit ihm zu treffen.
Dad musste fahren, aber was war mit Bunny? Der hatte seine Liebste zu Hause und auch seine Zeitung, sollte er nicht nach Angel City zurückkehren? Doch Bunny versetzte, nein, Unsinn, es komme nicht in Frage, dass Dad im Winter ganz allein einen Kontinent und einen Ozean überquere. Sein Sohn werde ihn begleiten, und wenn sie mit Verne alles besprochen hätten, könnten sie nach Paris weiterreisen und eine Weile bei Bertie bleiben und ihre piekfeinen Diplomatenfreunde kennenlernen. Dann könne Bunny, wenn nötig, immer noch allein heimfahren – das würden sie später besprechen.
Herzzerreißend, wie froh der alte Mann über diese Entscheidung war. Außer Bunny hatte er nichts mehr, worum er sich noch kümmern konnte. Tief im Innern fühlte er sich bestimmt vor seinem Sohn gedemütigt, doch nach außen hin musste er weiterhin den seriösen Geschäftsmann spielen, der von skrupellosen politischen Feinden verfolgt wurde. Mit Bunny sprach er sehr wenig über dieses Thema, mit anderen hingegen unterhielt er sich stundenlang. Diese plötzliche Redseligkeit war das kläglichste Anzeichen seiner zunehmenden Schwäche.
Bunny schrieb lange Briefe an Vee, schilderte ihr die Situation und versicherte sie seiner Liebe; auch an Rachel schrieb er, vertraute ihr die Zeitung an und sorgte dafür, dass die tausend Dollar im Monat an sie ausbezahlt wurden. Dad schrieb lange Briefe an seine tüchtigen jungen Angestellten – dem Himmel sei Dank für ihre Tüchtigkeit, gerade jetzt! Sie würden mit ihm und Verne telegrafisch in Verbindung bleiben, und Vernes Agenten in Washington würden berichten, was sich im Zusammenhang mit der Untersuchung wirklich tat. Bunny ließ sich Dan Irvings wöchentlichen Brief sowie diverse radikale Zeitungen nachschicken, und so waren Vater und Sohn in der Lage, ihre Kontroverse in Europa fortzusetzen.
Vier Tage fuhren sie mit dem Zug durch die verschneiten Weiten Kanadas. Draußen war es bitterkalt, drinnen aber warm und gemütlich, und ganz hinten am Zug befand sich ein Panoramawagen, in dem sich ein paar Dutzend amerikanische und kanadische Geschäftsleute aufhielten. Nach wenigen Stunden hatten sie herausbekommen, dass der große J. Arnold Ross unter ihnen weilte, und von da an hielt Dad Hof und erzählte allen und jedem von seinen Schwierigkeiten. Merkwürdig fand Bunny das Klassenbewusstsein dieser Männer, ihre prompte, automatische Reaktion. Jeder von ihnen schlug sich auf Dads Seite, jeder wusste, dass die Enthüllung das Werk von böswilligen politischen Nörglern war und die Pachtverträge nur Vorteile für die Öffentlichkeit gebracht hatten. Die Einsparungen, die durch findige Geschäftsleute zuwege gebracht wurden, überstiegen den Profit, den sie einstrichen, stets um ein Vielfaches.
In Montreal erwartete sie ein Luxusdampfer mit mehreren hundert Lohnsklaven verschiedenster Art, die ihnen gegen ein paar hundert Barrels des gestohlenen Öls zu Diensten sein würden. Sie gingen an Bord, und der Dampfer fuhr den Sankt-Lorenz-Strom hinunter. In Quebec legte er an, dort gab es Zeitungen, und Bunny las, dass Bundesbeamte eine Geheimversammlung der Arbeiterpartei gestürmt und sämtliche Delegierten festgenommen hatten. Es war ein höchst aufsehenerregendes Ereignis, die kanadischen Zeitungen berichteten detailliert darüber, denn auch hier im Land kannte man dieses Problem. Der Artikel nannte die Namen der Verbrecher, die in die Falle gegangen waren, und einer von ihnen war Paul Watkins!
6
Die winterliche Überfahrt nach England war kalt und stürmisch, daran konnte auch alles Öl der Welt nichts ändern. Dad erwies sich als schlechter Seefahrer, und als er in Vernon Roscoes Hotel in London ankam, bot er ein Bild des Jammers. Doch Verne munterte ihn auf. Ja, tatsächlich kam wieder Leben in Dad, als Verne ihm zum ersten Mal auf die Schulter schlug und seine dröhnende Stimme im Hotelfoyer hören ließ. «Herrgott noch eins, der alte Halunke! Ich glaub, die Roten haben ihm den Schneid abgekauft!»
Verne hatte garantiert niemand den Schneid
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