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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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angeklagt; und wie von Verne prophezeit, nahmen die großen Zeitungen Vernunft an, verbannten die Untaten der Ölmänner von der Titelseite und setzten die der Roten an ihre Stelle.
    Inzwischen befand sich ein ganzer Haufen von Magnaten im Exil, Fred Orpan, John Groby und alle, die die kanadische Aktiengesellschaft gegründet und zwei Millionen Dollar Bestechungsgelder in Washington verteilt hatten. Dad und Bunny trafen sich mit ihnen zum Lunch, verschlüsselte Telegramme wurden gewechselt, und es war interessant, ihre Reaktionen zu beobachten. Alle machten sich darüber lustig – «Hallo, alter Knastbruder!», so begrüßten sie sich, aber im Innern wurden sie von Sorgen zerfressen. Unter anderem drohte der neue Präsident sich ihrer zu entledigen, im Vorgriff auf die Wahlen im Herbst. Er, Cal der Bedächtige, hatte ja überhaupt keine Ölflecken auf der weißen Weste, er doch nicht, o nein!, höhnten die Ölmänner – dabei hatte der kleine Mann die ganze Zeit über im Kabinett gesessen, als die Pachtverträge durchgeboxt worden waren, und war mit ihnen allen dick befreundet gewesen. Vernes Clique freute sich zum ersten Mal über das Geschnüffel, als sich der Senatsausschuss mit einem Ordner voller Telegramme befasste, aus denen hervorging, dass der Unbefleckte ebenso ölverschmiert war wie die anderen Politiker; er hatte verschlüsselte Botschaften verschickt und versucht, die Aufdeckung abzuwenden und das eine oder andere zu retten. Und jetzt hatte er vor, ihre Vermittler aus dem Kabinett zu schmeißen. Wie sie ihn dafür verachteten! Verne nannte den Ersten Diener des Staates beharrlich einen «kleinen Flohhupfer»!
    8
    Dad erholte sich nicht so schnell, wie sie gehofft hatten. Da ihm die kalte, feuchte Dunkelheit in London offenbar nicht gut bekam, brachte Bunny ihn nach Paris. Bertie ließ sich erweichen und holte sie am Bahnhof ab, selbst ihr Mann riskierte seine diplomatische Karriere, und ein paar Stunden lang verlief alles höflich und freundlich. Doch dann begannen Bruder und Schwester zu streiten; Bertie verlangte, dass Bunny sich wenigstens in Frankreich nicht mit der Arbeiterbewegung befasse, doch Bunny sagte, er habe Rachel bereits einen Artikel darüber versprochen. Es gebe eine «Jugendzeitung», die auf ihrer Tauschliste stehe, 119 und noch in dieser Woche finde eine sozialistische Versammlung statt, die Bunny besuchen werde. Bertie versetzte, damit habe sich die Angelegenheit erledigt, er werde niemals dem Fürsten Soundso und der Herzogin von Sowieso vorgestellt werden, und Bunny in seiner Ahnungslosigkeit begriff nicht einmal, was ihm da entging.
    In Paris war es ebenfalls nass und kalt, Dad hustete, saß im Hotelfoyer und war so unglücklich, dass es einem das Herz zerriss. Er ließ sich zwar durch die Stadt fahren und betrachtete die öffentlichen Gebäude – ja, großartig, eine sehr schöne Stadt; da hatten die Leute aber lang dran gebaut, wir daheim hatten ja nicht die Zeit, so was Gediegenes zustande zu kriegen … Aber immer merkte man, dass er sich in Wirklichkeit nichts daraus machte; er konnte diese Ausländer mit ihrem Geplapper nicht leiden, diese geckenhaften Männer und unmoralischen Frauen, alle versuchten ständig, einem blechernes Geld anzudrehen, und das Essen war so extravagant garniert, dass man gar nicht sagen konnte, wie es schmeckte. Warum um alles in der Welt Amerikaner hierherkamen und was sie hier suchten, das überstieg Dads Vorstellungsvermögen.
    Es wurde beschlossen, ihn bis zum Frühjahr an die Riviera zu bringen. Hier bezogen sie eine Villa mit Blick aufs Mittelmeer, hier gab es endlich Sonne, ein matter Abklatsch Kaliforniens. Bertie kam zu Besuch, dann auch Tante Emma, um ihm den Haushalt zu führen, und es wurde so etwas wie ein Zuhause. Tante Emma und Bertie kamen wunderbar miteinander aus, weil die ältere Dame stets die richtigen Dinge bewunderte – ach, wie unglaublich schön, wie raffiniert und elegant, diese herrlichen Gebäude, diese lebensnahen Gemälde, diese hochmodischen Kleider! Tante Emma würde den Fürsten Soundso und die Herzogin von Sowieso kennenlernen und zu keinem Zeitpunkt die diplomatische Karriere ihres angeheirateten Neffen gefährden!
    Bunny nahm sich einen Hauslehrer und verlernte schnell das Französisch, das er sich an der Southern Pacific angeeignet hatte. Natürlich suchte er sich einen sozialistischen Hauslehrer, einen verqueren, mottenzerfressenen jungen Mann, der offenbar seit Jahren nichts Anständiges mehr zu beißen

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