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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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wohin.
    Die kapitalistische Presse indes fühlte sich befugt und verhielt sich entsprechend. Von Zeit zu Zeit las man in den französischen Zeitungen kleine Meldungen über Russland, und die waren natürlich so gehässig wie möglich formuliert. Kurz nachdem Ruths Brief eingetroffen war, berichteten die Zeitungen, dass unter den amerikanischen Kommunisten Uneinigkeit hinsichtlich der Taktik herrsche und beide Bewegungen ihre Sicht dem Präsidium der Dritten Internationale vorgelegt hätten. Ein halbes Dutzend amerikanische Parteiführer befänden sich derzeit in Moskau, unter ihnen Paul Watkins, der zu Hause wegen Teilnahme an einer illegalen Versammlung angeklagt sei.
    10
    Mittlerweile ereignete sich allerlei Aufregendes, was sie in ihrem Exil in Atem hielt. Erstens verliebte sich Tante Emma. Tja, in solchen Dingen weiß man eben nie, was noch alles passieren kann, weder bei Damen noch bei Herren. Es handelte sich um einen soliden älteren Eisenwarenhändler aus Nebraska, der in seiner Freizeit Kameen sammelte. Vielleicht erinnerte ihn Tante Emma an eine solche, jedenfalls machte er ihr, nachdem er ein paar Monate um sie herumschwarwenzelt war, einen Heiratsantrag, und sie feierten eine ruhige Familienhochzeit und fuhren in die Flitterwochen – nach Nebraska!
    Dad blieb sehr einsam zurück; aber bald darauf stürzte auch er sich in ein Abenteuer, und das war noch seltsamer. Nicht in hundert Jahren hätte man das erraten können: Gespenster!! Eines Abends war Bunny zu einer Versammlung gegangen, auf der sich, wie in Paris offenbar üblich, Sozialisten und Kommunisten heftig bekriegten, und als er zurückkam, traf er Dad nicht in seinem Zimmer an. Am andern Morgen erstattete der alte Mann zögernd und nicht wenig verlegen Bericht. Wie Bunny über den Spiritismus denke? Bunny erwiderte, er denke gar nichts, er habe keine Ahnung davon, und Dad verriet ihm, dass er gestern Abend etwas Erstaunliches erlebt hatte – ein langes Gespräch mit Großmama!
    Heiliger Bimbam!, rief Bunny, und Dad sagte, ja, das sei in der Tat verwunderlich, aber nicht von der Hand zu weisen. Sie habe über seine Kindheit gesprochen, die Ranch beschrieben, auf der sie gelebt hätten, und nach ihren Bildern gefragt. Was er mit dem gemacht habe, auf dem die Deutschen aus den Bierkrügen tränken, und ob er das mit dem Herrenhaus noch habe, wo vorn der Brunnen drauf sei und der Zweispänner mit der Dame und dem Herrn? Sie habe ihn «Klein-Jim» genannt, und alles sei so real gewesen, dass Dad die Tränen gekommen seien.
    Bunny wollte wissen, wo sich dies ereignet hatte, und Dad erzählte, dass hier im Hotel eine Mrs Olivier wohne, eine Dame aus Boston, die mit einem Franzosen verheiratet gewesen sei; ihr Mann sei vor ein, zwei Jahren gestorben. Dad war mit ihr ins Gespräch gekommen, und sie hatte ihm gestanden, dass sie Spiritistin sei und mit einem berühmten Medium in ihrem Hotelzimmer Séancen veranstalte. Dann hatte sie Dad dazu eingeladen, so war das gelaufen. Nach einigen höchst verblüffenden Geschehnissen wie schwebenden Schalltrichtern, daraus hervordringenden Stimmen und flackernden Lichtern waren die Geister erschienen und schließlich diese alte Geisterdame, die nach «Klein-Jim» gefragt und dann all das von sich gegeben hatte, was Dad den Atem verschlagen hatte. Woher hätte ein Medium so etwas wissen können?
    Nun hatte Dad etwas, womit er sich die Zeit vertreiben konnte. Natürlich besuchte er auch die nächste und übernächste Séance, erlernte sehr bald den Spiritistenjargon und nahm das Ganze so ernst wie eine Religion. Es war klar, was sich da abspielte – solange es ihm gut gegangen war und er zu tun gehabt hatte, war er ohne Religion ausgekommen, aber jetzt, wo er alt, müde und krank war, verlangte es ihn nach etwas Verlässlichem. Er schämte sich und fürchtete, sein Sohn würde ihn verspotten. Aber konnte ihm Bunny irgendeinen Grund nennen, warum die Seele nach dem Tod nicht weiterleben sollte? Das konnte Bunny nicht, und deshalb lud Dad ihn ein, zu einer Séance mitzukommen. So etwas war doch wichtiger als der Sozialismus! Wenn es wirklich stimmte, dass wir ewig lebten, ließ sich etwas irdisches Unbehagen leicht aushalten, dann lohnte es sich doch kaum, über Dinge wie Geld zu streiten. Und dies aus dem Munde von J. Arnold Ross!
    Bunny, der anderen immer gern zu Gefallen war, ging also zu einer Séance und wurde Zeuge jener seltsamen Phänomene. Er wusste, dass dergleichen durch Tricks hervorgerufen wurde, hatte aber

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