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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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als sie über die neue Straße fuhren, so fest und eben und grau! Sie gelangten zum Watkins-Arroyo und zu der neuen Straße, die dort hochführte – ihrer Privatstraße, als solche gekennzeichnet! Bei den Watkins’ war niemand zu Hause, alle waren zum Bohrloch hinaufgegangen, und man sah, dass sich eine Menschenmenge um den Bohrturm scharte – um den schönen, neuen, blanken Bohrturm aus gelbem Kiefernholz, errichtet auf einem kleinen Sockel auf halber Hanghöhe – Ross Junior Paradise Nr. 1!
    Sie fuhren hinauf, und der Vorarbeiter begrüßte sie. Alles war fertig, die letzte Schraube angezogen, die Maschine unter Volldampf – sie hätten schon vor Stunden loslegen können. Bunny blickte sich um: Dort stand Paul zwischen den anderen Arbeitern, er hielt sich im Hintergrund. Ruth war bei ihrer Familie; Bunny ging zu ihnen und begrüßte alle freudig, sogar den alten Mr Watkins mitsamt seinem Springen und Wälzen, seinem Rheumatismus und all dem anderen Klimbim. Die gesamte Nachbarschaft war da, Bunny kannte viele dem Namen nach und sprach sie an, ob er sie nun kannte oder nicht. Allen gefiel der rührige Bursche – der junge Prinz mit dem eigenen, nach ihm benannten Bohrloch. Einige waren insgeheim «stinkig», weil sie ihr Land so billig verkauft hatten; wenn sie durchgehalten hätten, wären sie vielleicht auch reich und berühmt geworden; aber im Augenblick merkte man nichts davon, dies war eine große Stunde, eine Zeremonie, über die sie noch tagelang reden würden.
    Dad kontrollierte alles, stellte ein paar Fragen und wollte schon «Los!» sagen, als er merkte, dass noch ein Auto die Straße hochkam. Es war eine große, funkelnde Limousine; sie fuhr schnell, die Menge teilte sich, der Wagen blieb stehen und heraus stieg – Donnerwetter, Bunny traute seinen Augen kaum! – ein junger Mann, groß, ungelenk, sonnengebräunt, mit krummen Schultern, blassblauen Augen und einem maisgelben Wuschelkopf, Eli Watkins, der Prophet der Dritten Offenbarung, verwandelt und verklärt mit steifem, weißem Kragen, schwarzer Schleife und schwarzem, schlecht sitzendem, aber teurem Wollanzug und mit ebensolchen Manieren, jener speziellen Mischung aus Unterwürfigkeit und Hochmut, die der geistliche Stand hervorbringt. Ihm folgte ein reicher älterer Herr, der zwei Damen im Kostüm beim Aussteigen behilflich war, sozusagen den weiblichen Ausgaben von Eli. Das waren entweder Frischbekehrte oder Sieche, die der Prophet geheilt hatte. Die Nachbarn starrten ihn respektvoll an, für ein paar Minuten war das Bohrloch vergessen, und die geistliche Macht hatte Vorrang vor der irdischen.
    Dad trat vor und gab dem Propheten die Hand; in dieser großen Stunde sollte das Vergangene ruhen und aller Streit vergessen sein. Bunny staunte, denn er hatte noch nie erlebt, dass Dad eine Rede hielt, wenn er nicht unbedingt musste. Doch J. Arnold Ross hatte auch eine humorige Ader, die gelegentlich dazu führte, dass manche Ereignisse eine merkwürdige Wendung nahmen. Dad blickte in die Menge, räusperte sich und sagte: «Meine Damen und Herren, wir bohren hier auf der Ranch, wo Mr Eli Watkins geboren wurde; vielleicht möchte er Ihnen deshalb bei dieser Gelegenheit ein paar Worte sagen.» Aufbrandender Beifall, Eli errötete und fühlte sich offensichtlich sehr geschmeichelt; er trat ein paar Schritte vor, faltete wie segnend die Hände vor sich, hob den Kopf, schloss halb die Augen und dröhnte mit donnernder Stimme los: «Brüder und Schwestern! Auf diesen Bergen habe ich meines Vaters Herden gehütet gleich den Propheten des Alten Testaments und habe der Stimme des Heiligen Geistes gelauscht, welche zu mir sprach in Sturm und Ungewitter. Brüder und Schwestern, der Herr offenbart sich auf vielerlei Weise und schenket Seinen Kindern kostbare Gaben. Sein sind die Schätze der Erde, und wenn Er sie in Seiner Gnade an das Menschengeschlecht weiterreicht, ist es Sein Wille, dass sie in Seinem Dienst und Ihm zur Ehre genutzt werden. Die Belange des Leibes sind denen des Geistes untertan, und wenn nach Gottes weisem Ratschluss diese Bohrstelle Reichtümer hervorbringt, so mögen diese im Dienste des Allerhöchsten genutzt werden! Möge Sein Segen auf allen ruhen, die dieses Bohrloch besitzen oder dafür arbeiten. Amen.»
    Die Zuhörer antworteten im Chor: «Amen!» Na bitte, das war ja eine richtige Weihe! Alle Lügen, die Dad der Familie Watkins und anderen aufgetischt hatte, seine Bestechungen der Herren Carey und Coffey – alles widerrufen, null

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