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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Rohrleitungen verlegt und Öl musste vertrieben werden; man musste sich um Finanzierungen kümmern, um Häuser und Straßen, um ein Gaswerk und um mehr Wasser, jeden Tag gab es was Neues. Die Rechnungsbücher zeigten, dass bisher fast drei Millionen Dollar in diesen Ort geflossen waren, und jetzt sprach Dad davon, dass er unbedingt eine eigene Raffinerie brauchte; sein Kopf war voll von tausend fachspezifischen Details. Eine Gruppe wirklich potenter Geldgeber wollte sich ihm anschließen und als Gesellschaft mit einem Kapitalwert von sechzig Millionen Dollar dieses Ölfeld zu einem der ganz großen machen; es würde ein «Tanklager» geben, mehrere Raffinerien und eine Tankstellenkette. Sollte Dad diesen Kurs einschlagen oder sollte er das Geschäft für Bunny aufsparen? Der Junge musste sich bald entscheiden. Wollte er eine solch enorme Last schultern oder sie andere tragen lassen? Wollte er alles Mögliche studieren, wie Paul, oder wollte er sich ernsthaft auf den Wettkampf ums Öl einlassen und all seine Aufmerksamkeit auf die Krackdestillation oder den Einsatz von Kondensatoren in Destilliertürmen richten?
    2
    Bunnys Grübeleien über das Problem von Kapital und Arbeiterschaft sollten keine rein theoretischen bleiben. Als er in den Weihnachtsferien nach Paradise kam, traf er einen ziemlich ernst dreinblickenden Paul an, der ihn fragte, wie Dad zur Frage der Gewerkschaften auf diesem Ölfeld stehe. Ein Gewerkschafter für Zimmerleute sei hier gewesen, Paul habe mit ihm gesprochen und sei zu dem Schluss gekommen, dass er verpflichtet sei, der Gewerkschaft beizutreten. Einige Männer seien heimlich Mitglieder geworden, aber Paul wolle in seinen Beziehungen zu Mr Ross keine Heimlichtuerei. Bunny antwortete, sein Vater halte nicht viel von Gewerkschaften, habe aber bestimmt nichts dagegen, wenn Paul eintrete, wenn Paul dies für richtig erachte, trotzdem sollten sie es besprechen. So veranstalteten sie an diesem Abend ein Kolloquium, das mit dem in der Schule wenig Ähnlichkeit hatte.
    Dad glaubte an Zusammenschlüsse; das sagte er immer, und seine Glaubensformel galt auch für Arbeiter, zumindest theoretisch. Doch in der Praxis hatte Dad festgestellt, dass die zahllosen Funktionäre einer Gewerkschaft von der Arbeit der tatsächlichen Arbeiter lebten; diese Funktionäre entwickelten sich zu einer eigenen Klasse, zu Privilegierten gewissermaßen, die sich nur um sich selbst kümmerten, nicht um die Arbeiterschaft. Natürlich müssten sie ihre eigene Existenz mit irgendwas begründen, deshalb stachelten sie die Arbeiter gern zu einer Unzufriedenheit auf, die diese sonst gar nicht empfinden würden.
    Paul erwiderte, so könne man es freilich sehen; aber nüchtern betrachtet könne es ebenso gut andersherum sein – die Männer seien unzufrieden, und die Funktionäre versuchten, sie zu beschwichtigen. Die Funktionäre verhandelten mit den Arbeitgebern und wollten natürlich, dass die Arbeiter sich ihnen anschlossen. Läge es nicht näher, die Streitigkeiten in der Wirtschaft mit dem grundlegenden Umstand zu erklären, dass das eine Lager Arbeit verkaufe und das andere sie kaufe? Niemand wundere sich, wenn ein Mann, der ein Pferd erwerben wolle, es weniger hoch veranschlage als der Besitzer.
    Das gefiel Dad nicht, man merkte es ihm an, denn eine solche Sicht erschwerte ihm seine Aufgabe. Er sagte, ihn störe an diesen Gewerkschaften, dass sie einem Mann seine persönliche Freiheit nähmen; er sei dann kein freier amerikanischer Bürger mehr, sondern nur noch ein Rädchen in einer Maschine, gesteuert von oft korrupten Politikern. Was dieses Land groß gemacht habe, sei das individuelle Unternehmertum, und das müsse man schützen. Paul bejahte dies, aber die Unternehmer hätten den Arbeitern ein schlechtes Beispiel gegeben; sie hätten sich zu einem «Erdölarbeitgeberverband» zusammengeschlossen, der den Wirtschaftszweig mit strenger Hand regiere. Paul hatte gehört, dass Mr Ross in seinen Anfängen pro Tag einen Dollar mehr als üblich gezahlt habe, um die besten Arbeiter zu bekommen; aber als er in Prospect Hill bohrte, hatte er sich dem Verband anschließen müssen, und jetzt durfte er nicht mehr zahlen, als der reguläre Tarif vorsah.
    Das stimme, gab Dad zu, beeilte sich aber zu erklären, dass er niemandem den Lohn gekürzt habe; sein Geschäft habe sich so rasch vergrößert, dass er seine Männer einfach höher eingestuft habe; erst wenn er für die alte Arbeit neue Leute einstelle, bekämen diese den regulären

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