Öl auf Wasser - Roman
ist ein großer Bewunderer ihrer journalistischen Arbeit und es war seine Idee, dass wir herkommen und Sie bitten sollten, mit einigen anderen Journalisten rauszufahren und die Bestätigung einzuholen, dass seine Frau noch lebt. Wir müssen das wissen, bevor wir die Lösegeldverhandlungen aufnehmen können.«
Zaq drehte sich zu James um, wartete auf dessen Zustimmung. James’ Augen waren gerötet und tränenschwer, sein weißes Hemd zerknittert; er sah völlig verzweifelt aus und schien bereit, alles zu versuchen, in der Hoffnung, seine Frau zurückzubekommen.
»Wozu soll das gut sein? Das können andere Reporter mindestens genauso gut wie ich.«
»Ich weiß, aber ich glaube, dass Sie besser als andere verstehen, was hier auf dem Spiel steht. Bitte. Hören Sie mich an. Ich glaube, Ihnen kann ich vertrauen, obwohl wir uns noch nie begegnet sind. Ich war auf der Leeds University, wie Sie auch … ich hoffe, dass Ihnen das etwas bedeutet …«
»Ich bin ein einfacher Nachrichtenjournalist. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Bedaure. Es tut mir Leid, in welcher Lage Sie sich befinden, aber ich kann Ihnen nicht helfen … ich bin sicher, dass es ihr gut geht. Sie bekommen sie unversehrt zurück. Sie werden ihr nichts tun, das machen sie nie …«
Der Anzug warf James einen Blick zu, der diesen in Richtung Tür wies und verdeutlichte, dass es eine Schnapsidee gewesen war, hierher zu kommen, und dass es nun Zeit war, zu gehen. Aber James redete weiter, den Blick auf Zaq geheftet.
»Ich würde ja selber da rausfahren, aber meine Leute meinen, das wäre keine gute Idee, weil ihnen das nur eine zweite Geisel brächte.«
»Also Zaq, was meinst du?«
Beke kam herüber und legte Zaq seine fette Hand auf die Schulter. Zaq betrachtete den schmutzigen Teppich. Miteinander verwobene Quadrate in Grün und Rot, die mit der Zeit verblichen waren, von zahllosen Wäschen und Schritten zu losen Fäden und Bändern zermalmt. Und von etwas anderem noch: einer Art Verzweiflung, einem Mangel an jener Energie, die man zum Durchhalten brauchte, um standhaft zu bleiben. Die Stühle und Tische und Aktenschränke sahen nicht anders aus, ebenso die Gesichter und Schultern seiner Reporterkollegen, wenn sie früh am Morgen von den überfüllten Bussen und den gnadenlosen Straßen in die Redaktion gespült wurden. Er hatte es auf den Gesichtern gesehen, die in Lagos und Abuja und Kano und Ibadan aus den Bussen gestiegen waren: ein benommener bloß-den-Tag-überstehen-Blick. Er starrte immer noch den Teppich an. Wozu auch dem Blick des Besuchers begegnen, wenn er ohnehin nicht helfen konnte?
Der Anzug und James waren jetzt an der Tür. Der Anzug zog sie auf.
»Meine Herren, vielen Dank für Ihre Zeit. Dieser Besuch hat unter uns zu bleiben …«
Zaq erklärte, es wäre der Ton in der Stimme des Mannes gewesen, der ihn zwang aufzusehen. Die Stimme klang abschätzig, fast schon verächtlich. Und er fühlte, was er schon lange nicht mehr empfunden hatte: Stolz, Eitelkeit – zwei Gefühle, die zu vermeiden er sich immer bemüht hatte, weil sie im Leben eines Reporters nichts zu suchen hatten.
»Ich fahre. Ich mache es.«
Die Männer an der Tür blieben stehen. James schüttelte die Hand seines Begleiters ab, drehte sich um und ergriff Zaqs Hand. Er zog ein Foto aus der Tasche. Sie war hübsch, das Haar eine einzigartige Mischung aus Rot und Brünett, und auf dem Foto sah sie jugendlich unbekümmert aus, wie sie selbstbewusst in die Kamera lächelte. Zaq schlussfolgerte, dass es gemacht worden sein musste, als sie noch jünger war, vielleicht in Unizeiten.
»Wie alt ist sie?«
»Neununddreißig. Sie heißt Isabel. Sie war auch in Leeds auf der Universität.«
Zaq nickte und starrte auf das Foto. Ihm schien es sinnlos, James zu sagen, dass er nur für einen sechsmonatigen Journalismus-Kurs in Leeds gewesen war. Eine Universität hatte er nie besucht – er war Autodidakt. Was er wusste, hatte er in der Redaktion und auf der Straße und aus Büchern gelernt, doch was er wusste, das wusste er genau. Er war in der Lage, in einer Unterhaltung Aristoteles und Platon und Tolstoi und Shakespeare und Soyinka und Fanon und Mandela und Gandhi und Dante zu zitieren, so ganz nebenbei, vollendet.
»Bisher sind von unterschiedlichen Gruppierungen über ein Dutzend Lösegeldforderungen eingegangen: von den Black Belts of Justice, der Free Delta Army und den …«
»… den AK-47 Freedom Fighters.«
»Das geht alles sehr durcheinander.
Weitere Kostenlose Bücher