Öl auf Wasser - Roman
diskutierten, würde Zaq es mir sagen. Doch genau in dem Augenblick, in dem ich mich umdrehte, rief Zaq herüber:
»Rufus, du solltest besser mal herkommen und dir das anhören.«
Besorgt klang er nicht, doch fröhlich hörte er sich auch nicht an. Was es auch war, schlimmer als diese unfruchtbare Landschaft oder unsere ziellose Suche, die langsam so undurchsichtig wie das verschlungene Gewässer wurde, über das unser winziges Gefährt stampfte und rollte, als könnte es kaum erwarten, von hier wegzukommen, konnte es kaum sein.
»Er möchte, dass wir den Jungen mitnehmen.«
Ich sah Zaq an.
»Was meinst du mit ›den Jungen mitnehmen‹?«
Der Alte nickte zu jedem Wort, das wir sprachen, als würde mir dadurch die Bedeutung seiner Worte deutlicher.
»Er will, dass wir den Jungen mitnehmen, wenn wir nach Port Harcourt zurückkehren. Du sagst es ihm besser selbst, Alter.«
»Ja. Hat nich Zukunft hier. Is gut Junge, sehr gescheit. Hilft Frau und dir bei Arbeit, jeda Arbeit, und du schickst ihn in Schule.«
»Wir sind aber beide nicht verheiratet. Wir können ihn nicht einfach nach Port Harcourt mitnehmen.«
»Aba sieh doch, was soll er hier machen. Nix. Kein Fisch für Fluss mehr, nix. Ich hab Angst, er geht bald für Rebellen, und das will ich nich. Is guta Junge. Ich sicher, du magst ihn. Gescheit. Kann lernen Handel oda Fahra. Alles. Is gescheita Junge, lesen und schreiben kann er schon, obwohl Schule zu, aba er weiß noch, wie lesen und schreiben. Komm her!«
Der Junge stand auf, kam zu uns gerannt und sah seinen Vater erwartungsvoll an. Er wusste, worum es ging. Sein Vater musste ihn instruiert haben, und jetzt war es an ihm, das Seine beizutragen.
»Schreib deinen Namen.«
Der Junge ließ sich auf die Knie sinken und wischte schnell die Zweige und das abgestorbene Gras von der braunen, verbrannten Erde zu unseren Füßen. Dann schrieb er die Buchstaben seines Namens auf: M-I-C-H-A-E-L. Als ich das stolze Lächeln auf seinem Gesicht sah, mit dem er jetzt zu seinem Vater aufblickte, ein Lob dafür erwartend, dass er seinen Beitrag geleistet hatte, wurde mir schlagartig klar, dass ich die ganze Zeit den Namen des Jungen – oder den seines Vaters – nicht einmal gekannt hatte. Sie waren einfach der Alte und sein Sohn, die uns durch die Wasser geleiteten, von denen ihr Leben abhing, in das sie tagtäglich ihre Rute auswarfen und hofften, immer nur hofften, dass etwas anbiss. Ich schämte mich. Zaqs Gesichtsausdruck war ein Spiegelbild des meinen. Er tätschelte dem Jungen den Kopf.
»Hello, Michael. Ich heiße Zaq.«
»Und ich Rufus.«
Ich schüttelte dem alten Mann die Hand. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, das dem des Jungen glich, nachdem der seinen Namen aufgeschrieben hatte.
»Ich heiß Tamuno, aba alle sagen Papa Michael.«
Zaq nahm mich zur Seite.
»Was machen wir jetzt?«
»Wir lehnen natürlich ab. Es sei denn, du willst ihn mitnehmen.«
»Wohin denn, und wie? Ich hab eine Einraumwohnung. Und kann am Monatsende kaum meine Miete bezahlen. Er könnte natürlich bei Beke, meinem Chef, bleiben. Aber der ist ein niederträchtiger Bastard und wird ihn nur als Diener behandeln. Hast du keine Familie?«
»Ich hab eine Schwester, aber sie …«
»Kann sie ihn nicht nehmen?«
»Naja … das ist kompliziert. Nein … kann sie nicht …«
»Nun, dann ist klar, dass wir den Jungen nicht mitnehmen können.«
Ich sah zu Vater und Sohn hinüber. Sie starrten uns gespannt an, doch sobald ich mich zu ihnen umdrehte, senkten sie den Blick. Der Vater hatte die Hand des Jungen genommen und klopfte ihm mit der anderen sacht auf die Schulter.
»Wir haben eure Bitte gehört. Und du hast recht, dein Junge ist fix und hat eine große Zukunft vor sich. Trotzdem müssen wir das noch ein wenig ausführlicher beraten, aber wir teilen euch mit, wie wir uns entschieden haben, bevor das Ganze hier vorbei ist.«
Die Enttäuschung auf dem Gesicht des Mannes war nicht mit anzusehen. Zaq legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Wir haben nicht nein gesagt, verstehst du.«
»Was Zaq sagen will ist, dass das alles so plötzlich kommt …«
Der Junge fing an zu weinen. Zaq sah vom Jungen zu mir, dann zu dem alten Mann.
»Sieh mal. Okay. Wir nehmen ihn mit. Ich nehme ihn mit. Ich werde einen Weg finden.«
»Aber … bist du dir sicher …?«
»Nein. Aber ich werde ihn mitnehmen. Irgendwie finde ich etwas für ihn. Er könnte Redaktionsjunge im
Star
werden. Also, du, jetzt hör mal auf zu weinen. Machen wir uns
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