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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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und das grüne Hemd mit den blauen Hosen und den wadenhohen Stiefeln sah einer Militäruniform nicht unähnlich. Auch wenn er körperlich durchaus einschüchternd aussah, über eins achtzig groß mit kahlrasiertem Schädel, ruhte meine Hoffnung eher darauf, dass er mit dem Gewehr auch gut umgehen konnte. Über das Gelände der Ölgesellschaft verstreut fanden sich weitere Männer in ähnlichen Uniformen, einige mit Maschinengewehren ausgestattet, die sie von einer Hand in die andere warfen, als brannten sie darauf, sie einzusetzen.
    Ich bemühte mich, meine Nervosität angesichts dieser offenen Zurschaustellung von Feuerkraft zu verbergen, obwohl ich sah, dass nicht nur mir allein unbehaglich zumute war. Auch die anderen Reporter schielten immer wieder zum Gewehr unseres Führers hinüber. Die Ölgesellschaft hatte beschlossen, zwei Reporter aus Port Harcourt durch zwei aus Lagos zu ersetzen, und ich war gleichermaßen überrascht und befriedigt, dass ich nicht zu den Ausgemusterten gehörte. Vielleicht brauchten sie jemand Junges, mit einer unverbrauchten Sicht, vielleicht hatte mir auch meine Qualifikation als Fotograf den Platz gesichert, doch spielte das keine Rolle. Die Reporter aus Lagos kamen in Anzug und Krawatte und weichen Stadtschuhen daher, als wären sie auf dem Weg zu einer Pressekonferenz in einem Konferenzraum in Ikoyi. Sie setzten sich auf die Vorderbank neben unseren Führer, der sich über das Steuerrad beugte. Weil sie sich nicht einmal vorgestellt hatten, wusste ich nicht, für welche Zeitung sie arbeiteten. Der eine hielt mit einer Hand sein Notebook fest und versuchte, in dem offenen, winddurchtosten Boot Notizen zu machen; der andere kämpfte gegen das Dröhnen des Motors und die zunehmend schlechtere Verbindung und schrie etwas in sein Mobiltelefon.
    Ich setzte mich neben Zaq und stellte mich vor, brüllte gegen den Lärm des Bootsmotors an:
    »Rufus, vom
Reporter

    »Gute Zeitung.«
    Danach sagte er nichts mehr, hatte die Hände unter seine orangefarbene Rettungsweste gesteckt und die rot unterlaufenen, tranigen Augen auf die riesige blaue Wasserfläche gerichtet, die auf uns zu sprang. Es war offensichtlich, dass er sich nicht mehr an mich erinnerte. Ich schluckte meine Enttäuschung hinunter und machte mir klar, dass seit jenem Tag am Bar Beach fünf Jahre verstrichen waren, und fünf Jahre, seit ich ihn angerufen hatte. Ich wollte mich mit Zaq austauschen, wollte wissen, ob er glaubte, dass die Entführer eine Gefahr für uns darstellten, aber er hatte den Blick unverwandt auf das Wasser gerichtet, erweckte mitunter gar den Eindruck, als schliefe er, hatte das Gesicht in der ausgebeulten Schwimmweste vergraben. Er sah übel aus, beinahe seekrank. Als ich ihn so anschaute – die lockigen, grauen Büschel in seinem Haar, der dicke Wanst, der ihm im Schoß ruhte, Zeugnis seiner Liebesbeziehung mit der Flasche – mochte ich kaum glauben, dass dies der einst berühmteste Reporter in Lagos und vielleicht in ganz Nigeria war.
    Wir fuhren südwärts. Ich drehte mich um und sah auf den langsam schwindenden Küstenstreifen und den Schweif der weißen, schaumigen Furche, die dem Kielwasser des Bootes folgte; ein beruhigender und zugleich fesselnder Anblick, der mich für einen Augenblick von dem Gedanken ablenkte, was uns bei unserem Rendezvous erwartete. Bald hatten wir das offene Wasser hinter uns gelassen und fuhren durch enge Kanäle, die wie Täler wirkten, weil sie auf beiden Seiten von dichtem Palmwerk und manchmal von der einen oder anderen überraschend auftauchenden Klippe gesäumt wurden. Hier kamen wir nur langsam voran, aber nach einigen Stunden lag die Stadt weit hinter uns. Weder auf dem einen noch am anderen Ufer konnte man Menschen oder Häuser entdecken; lediglich die Vögel sprangen aus den Wipfeln der hohen, dünnen Bäume und flogen, sobald wir näher kamen, flügelschlagend und blätterraschelnd davon. Sogar die Reporter aus Lagos hatten ihr lautes, überhebliches Gerede eingestellt und lauschten den immer verzweifelteren Versuchen unseres Führers, Funkkontakt mit den Entführern aufzunehmen. Als wir ihn fragten, was los wäre, gab er zu, dass er keine Ahnung hätte, wohin wir unterwegs wären; man hatte ihm aufgetragen, in eine bestimmte Richtung zu fahren und sein Funkgerät an einem festgelegten Punkt auf eine gewisse Frequenz einzustellen, damit man ihn hineinleitete. Jetzt schienen wir im Kreis zu fahren, und wir konnten die wachsende Enttäuschung in seiner Stimme

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