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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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gläubig geworden. Jeden Morgen weckt er uns um sechs auf, um Gottes Eingreifen in unsere Angelegenheiten zu erbitten. Er hat daran gedacht, in seinen alten Beruf als Lehrer zurückzugehen, und Gott gebeten, ihm zu offenbaren, ob das der richtige Weg wäre, aber Gott hat noch nicht geantwortet, und seine Zweifel werden täglich größer. Ich weiß nicht, wann und wie er Udoh Fotos kennengelernt hat, wann und wie sie übereingekommen sind, dass ich nach Port Harcourt gehen und als Lehrling bei Udoh Fotos wohnen und das Handwerk erlernen soll – ich weiß nur, dass mich mein Vater an dem Tag, an dem ich fünfzehn werde, nach Port Harcourt schickt, damit ich Fotograf werde. Während meines ersten Jahres lerne ich nicht allzu viel über Licht und Schatten oder die vielen Objektive, die sich im Lagerraum von Udoh Fotos’ Studio stapeln, noch über die Unterschiede zwischen einer Leica, einer Canon oder einer Kodak, aber ich lerne bei Mrs. Fotos, wie man Reis kocht und
Garri
und wie man das ramschüberfüllte Vierzimmerhaus fegt und jeden Abend die vier ungezogenen Kinder badet, die einem ständig gegen die Schienbeine treten, und wie man um sechs Uhr morgens aufsteht und zur öffentlichen Wasserstelle geht, um Wasser für das Plastikfass in der Küche zu holen. Ich wurde immer dünner. Ich bin erschöpft, angespannt, verhalte mich wie ein Tier. In jenen frühen Monaten wäre ich nur zu gern geflohen, wenn ich das Geld dazu gehabt hätte, und wenn ich gewusst hätte, wie ich mich durch die Myriaden von Seitenstraßen und Gassen von Diobu, dem schäbigsten Stadtteil in Port Harcourt, schlagen sollte. Und als ich später die Gelegenheit habe zu fliehen, hält mich die Frage zurück, wie ich es meinem Vater erklären soll. Mir ist inzwischen klar geworden, dass mein Vater mich hierher geschickt hat, damit ich zum Mann werde, damit ich erlebe, wie hart und ungerecht und schwer das Leben ist – und weil ich vielleicht, wenn ich das aushalte, im Leben eine Chance habe. Als mir Udoh Fotos drei Jahre später zum Abschluss meiner Lehrzeit ein dünnes Zeugnis mit meinem Namen darauf und seiner krakeligen Unterschrift darunter überreicht, verstehe ich, warum Lehrlinge wie ich einer bin, am Ende ihrer Lehrzeit oder Dienstverpflichtung etwas veranstalten, das sie Freiheitsfest nennen. Mein Vater hat mich in diesen drei Jahren nur zwei Mal besucht, und ich bin nur ein Mal zuhause gewesen.

    Ich hielt inne, als ich Zaq schnarchen hörte. Er hatte die Frage gestellt, die bei mir dieses Kramen in der Erinnerung ausgelöst hatte, und dann nicht einmal die Antwort abgewartet. Trotzdem war ich froh, ihn schlafen zu sehen. Ich war ein wenig beunruhigt, was die Testergebnisse morgen bringen würden. Ich drehte mich zum offenen Fenster der Hütte, schaute zum Himmel hinaus, konnte nicht schlafen. Erinnerungen waren wie Schleusentore: leichter zu öffnen als zu schließen.

    Hier stand ich nun mit meinem Zeugnis, war auf dem Heimweg und ließ Port Harcourt, so hoffte ich, für immer hinter mir. Als ich schließlich meine Familie ausfindig machen konnte, traf ich sie nicht an dem Ort wieder, an dem ich sie verlassen hatte: in der Stadt, in der ich geboren worden und aufgewachsen war. Ich erfuhr, dass sie, nachdem sie mehrmals in immer kleinere Häuser umgezogen waren, zu guter Letzt in einen Ort namens Junction gezogen waren, dessen Überleben sich auf zwei Asphaltstraßen gründete, die die Stadt fein säuberlich in vier gleichgroße Teile schnitten. Meine Mutter sah dünner aus, erschöpft, und sie sprach nicht viel. Als ich zuhause ankam, zeigte sie kurz ihre Freude, umarmte mich und fragte mich über meine Zeit in Port Harcourt aus; doch dann, als hätte sie dieses Gefühl die letzte Kraftreserve gekostet, zog sie sich in die Küche zurück, nicht zum Kochen, sondern um in die Flammen ihres Herds zu starren. Mein Vater steckte, im Gegensatz dazu, voller Energie, er platzte fast und konnte nicht stillsitzen.
    »Komm mit.«
    Er führte mich zu einer großen Scheune hinter dem Haus. Noch bevor ich die Tür öffnete, konnte ich das Benzin riechen, und als er das Licht anschaltete, sah ich über zehn Fässer stehen, von denen die meisten leer waren. Wir setzten uns auf zwei Holzstühle in einem Freiraum zwischen zwei Fässern.
    »Was hast du jetzt mit deinem Abschluss vor?«
    Er hatte das Zeugnis nicht einmal angefasst. Er hatte nur einen Blick darauf geworfen und fahrig genickt.
    »Ich weiß nicht. Ich werde mich umsehen und vielleicht einen

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