Öl auf Wasser - Roman
Mal wurde Zaq redselig. Vielleicht eine gereizte Reaktion auf das grausame Schauspiel, dessen Zeugen wir gerade geworden waren. Die Wellen hoben und senkten sacht das Boot, die Bewegung beruhigte meine angegriffenen Nerven. Er zündete sich eine Zigarette an und hielt mir die Schachtel hin. Ich war Nichtraucher, nahm aber trotzdem eine. Er blies den Rauch in die Luft.
»Du wirst dich nicht an mich erinnern, aber wir sind uns schon einmal begegnet. Ich habe an der School of Journalism studiert, und du hast dort mal einen Vortrag gehalten.«
»Ich habe in meinem Leben viele Vorträge gehalten. Es gab mal eine Zeit, da habe ich jede Woche ungefähr zwei gehalten.«
»Und du hast mir geholfen, bei meiner jetzigen Arbeitsstelle unterzukommen. Du hast mir deine Telefonnummer gegeben und ich hab dich angerufen. Deine Nummer habe ich immer noch …«
Er sah aus, als wäre ihm das etwas unangenehm und wandte sich ein wenig von mir ab, aber ich redete weiter, weil ich hoffte, dass er sich an mich erinnerte, wenn ich seinem Gedächtnis nur ausreichend auf die Sprünge half.
»In diesem Vortrag hast du darüber gesprochen, dass Journalisten Bewahrer seien … dass wir für die Nachwelt aufschreiben … und du hast gesagt, dass das Meiste, das wir schreiben, vergänglich und unerheblich sein mag, eine Nachricht über einen Autounfall hier, da eine Kolumne über ein Feuer auf einem Markt, einen Selbstmord, eine Scheidung, dass einem aber ab und zu, vielleicht nur ein Mal im Leben, ein transzendentaler Augenblick begegnet, eine große Story, der nur ein wahrer Journalist gerecht werden kann …«
»Verstehe. Naja, dein Gedächtnis ist besser als meins. Das ist lange her. Ich hab damals viele Vorträge gehalten.«
Es hatte keinen Zweck, weiter in ihn zu dringen, obwohl ich ihn unbedingt fragen wollte, ob er glaubte, dass wir genau so einer großen Story auf der Spur waren, und was es brauchte, ihr gerecht zu werden. Er hatte in seinem Vortrag gesagt, dass es einen großen Journalisten ausmachte, eine große Story zu erkennen, wenn er ihr begegnete, und darauf vorbereitet zu sein, mit den Worten und dem Talent und dem Mut, ihr zu folgen. Nichts durfte dem dann im Weg stehen. Jetzt aber sah er aus, als wollte er einzig und allein wieder nach Hause. Ich war mir nicht sicher, ob er noch an das glaubte, was er gelehrt hatte.
»Sag mal, was glaubst du, wo sie steckt?«
Er starrte auf den Schaum auf der Wasseroberfläche, der gegen das Boot schlug und einen blasigen Ölfilm auf dem Holz zurückließ. Er zuckte die Achseln.
»Hier war sie nicht, das steht fest. Ich vermute, dass die Leichen da drüben uns zu dem Ort begleiten sollten, an dem sie festgehalten wird. Er kann nicht weit weg sein.«
»Und die Soldaten?«
»Irgendwo in der Gegend, immer noch auf Patrouille, versuchen das Versteck zu finden. Und ich glaube, wir sollten uns so schnell wie möglich aus dem Staub machen. Damit wir nicht in ein Feuergefecht zwischen den Soldaten und den Entführern geraten …«
Plötzlich verstummte Zaq und starrte an mir vorbei auf den Pfad, der ins Inselinnere führte; mir fiel auf, dass die Stimmen der Männer nicht mehr zu hören waren. Dann, gerade als ich mich umdrehen wollte, um nachzusehen, was ihn so fesselte, hörte ich den Befehl:
»Oya, schneller!«
Die Reporter kamen in einer Reihe mit erhobenen Händen, flankiert von maskierten Gestalten in Schwarz, die ihre Gewehre auf sie gerichtet hielten. Es waren fünf, und einer entdeckte uns und kam schnell zum Boot. Ungeduldig winkte er uns mit einer Hand.
»Ihr zwei, runter vom Boot. Sofort!«
Wir hoben die Hände und bewegten uns zu den anderen am Ufer. Wir sahen zu, wie die hereinströmende Flut Holzstückchen und Gras und Vogelfedern zu unseren Füßen ablagerte. Die Gewehre immer noch auf uns gerichtet, kletterten die Männer einer nach dem anderen ins Boot und fuhren davon. Erst nachdem das Boot schon längst verschwunden war, ließen wir langsam die Hände sinken.
»Wo kamen die denn her?«
Ein wirres Geplapper antwortete auf Zaqs Frage; wir fanden alle nahezu gleichzeitig die Sprache wieder.
»Die schicken das Ding nicht zurück.«
»Doch, sie haben es versprochen.«
»Genau.«
»Wie könnt ihr denen trauen?«
»Immerhin haben sie uns nicht erschossen.«
»Ich hab’s gewusst: Ich hätte diesen Auftrag nicht annehmen sollen.«
»Erinnert ihr euch, was Tekena und dem anderen passiert ist, wie hieß der gleich …«
»Olisah. Sie wurden erschossen. Von
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