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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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als eine Stunde, um durch das kleine Dorf zu ziehen, gingen von einem verlassenen Haushalt zum nächsten, machten Fotos, hofften darauf, wenigstens einen zufälligen Nachzügler zu entdecken, einen Überlebenden, eine Stimme, die wir interviewen konnten.
    Wir fuhren weiter. Zaq sah aus, als müsste er sich gleich übergeben; sein Gesicht war schweißbedeckt, und er musste mehrmals die Flasche ansetzen, bevor die Wachheit in seine Augen zurückkehrte. Wir machten öfter Pausen und der Fluss wurde jedes Mal enger, wenn wir weiterfuhren. Bald darauf befanden wir uns in einem dichten Mangrovensumpf; das Wasser unter uns stank nach Fäulnis und Schwefel; in Schwärmen stiegen die Insekten von der Wasseroberfläche auf und ballten sich über unseren Köpfen zu schwirrenden Wolken zusammen, stachen uns in Arme und Gesichter und Ohren. Der Junge und der alte Mann schienen die Insekten gar nicht zu bemerken; sie hatten die Augen zu Schlitzen zusammengezogen und konzentrierten sich darauf, das Boot zwischen den knorrigen Luft wurzeln hindurch zu steuern, die wie nach Atem schnappende Rüssel aus dem Wasser wuchsen. Die Luft war vom schwer lastenden Gestank toter Körper erfüllt. Wir folgten einer Flussbiegung und sahen Vogelkadaver vor uns, auf Äste drapiert, die schlaffen Flügel schwarz und glitschig vom Öl; tote Fische schaukelten mit den weißen Bäuchen nach oben zwischen den Baumwurzeln.
    Das nächste Dorf war fast eine Kopie des ersten: die gleichen leeren, gedrungenen Bauten, der gleiche gesättigte und abscheuliche Gestank, die Leere, der Ölschlick und die gleiche unbestimmbare Traurigkeit in der Luft, als ob eine Geisterhorde über den zerlöcherten Zinkdächern schwebte, die nicht fortziehen wollte und doch nicht die Macht besaß, zu bleiben. Im Zentrum entdeckten wir den Dorfbrunnen. Durstig bückte ich mich unter den feuchten, bemoosten Tragbalken und spähte in die Finsternis hinunter, aber ein ranziger Geruch wurde aus seiner heißen Tiefe heraufgetragen und schlug mir ins Gesicht. Benommen wandte ich mich ab; mir war schlecht. Dort unten lag etwas Organisches tot und verwesend herum, vielleicht ein menschliches Wesen, und dieser Gestank mischte sich mit dem unverwechselbaren Ölgeruch. Am anderen Ende des Dorfes sickerte ein winziger Bach dem großen Fluss zu, an dem wir unser Boot zurückgelassen hatten. Die Grasnarbe, die am Ufer wuchs, erstickte unter einem Ölfilm, jeder Halm war mit Flecken übersät, wie Leberflecken auf der Hand eines Rauchers.
    Wir fühlten uns ausgelaugt, und deshalb machten wir uns wieder auf den Weg. Wir schoben das Boot in tieferes Wasser und kletterten hinein. Zaq schien inzwischen jede Energie – und sogar den Willen, die Flasche an die Lippen zu setzen, eingebüßt zu haben: Sie lag unbeachtet zu seinen Füßen. Die pissefarbene Flüssigkeit schwappte mit jeder Bewegung des Bootes vor und zurück. Er saß da, hatte die Hände breit neben sich auf dem Sitz abgestützt, als klammerte er sich ans nackte Leben, und ich wartete bei jedem Schaukeln des Bootes darauf, dass sich die Kotze aus seinem Mund ergoss. Aber irgendwie behielt er alles bei sich.
    »Möchtest du, dass wir im nächsten Dorf anhalten?«
    »Nein, keine Dörfer mehr!«
    Ich war müde und schlapp und fragte mich, wann der Alte anhalten, die Hacken in den Boden schlagen und verlangen würde, dass wir umkehrten, aber er sagte nichts, fuhr einfach immer weiter, tiefer und tiefer in das Land hinein. Der Fluss war an manchen Stellen so seicht und der Morast so dick, dass wir den Motor abstellen und das Boot schieben mussten, ungeachtet des kalten, dreckigen Wassers, das uns in Schuhe und Hemden und Hosen sickerte, und des faulen Geruchs, der sich in den Haaren festsetzte, und des Juckens auf unseren verdreckten Gesichtern. Als wir wieder in offenes Wasser kamen, änderte der Alte die Richtung und nahm Geschwindigkeit auf. Ich fragte nicht, wohin wir fuhren. Ich hoffte nur, dass der Ort in der Nähe und bewohnt war.
    »Ich hab Freund in Nachbardorf. Is gut Mann. Wir machen kleine Rast dort, vielleicht auch schlafen für Nacht. Is gut Mann.«
    »Wie weit ist es bis dahin?«
    »Nich sehr weit, bloß bisschen.«
    Wir fuhren geräuschlos wie ein Geisterschiff, das Brüllen des Motors von der gesättigten Luft gedämpft. Kein Vogel oder Fisch oder irgendein anderes Lebewesen der See war an der schwarzen, teilnahmslosen Wasseroberfläche zu sehen – wir waren allein. Als wir ankamen, begrüßte uns eine Gruppe

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