Öl-Connection
wir Ihnen sofort. Es laufen nicht viele Urmenschen herum.«
Sie gingen über das lange Deck. Ganz leise hörte man das Stampfen von Pumpen.
»Das ist alles, Sir!« Der andere, etwas dickliche Ingenieur, ein Mulatte mit breiten dicken Lippen, aber einer europäischen schmalen Nase, zeigte auf die Einfüllstutzen. »Sie können sich überzeugen, daß kein Tropfen daneben geht und den Hafen verseuchen könnte.«
»Haben Sie die Tanks kontrolliert, bevor Sie mit dem Bunkern anfingen?«
»Natürlich. Außerdem liegt uns das Gutachten der Klassifikationsgesellschaft vor.«
»Und daran glauben Sie?«
»Es bescheinigt die Seetauglichkeit.«
»Dazu gehört eine gründliche Kontrolle aller Einrichtungen eines Schiffes und seines Zustandes, vom Bilgewassertank bis zum Radar, von der Schiffswand bis zur Elektronik. Ich weiß aber, daß die von der ICS beauftragte Klassifikationsgesellschaft die Maringo nie betreten hat.«
»Aber das Tauglichkeitszeugnis liegt vor!« rief der dürre Ingenieur.
»Macht Sie das nicht nachdenklich?«
»Nein! Nachdenken muß die Reederei. Für uns ist das Gutachten maßgebend, nicht wie es entstanden ist.«
»Aber ich trage die Verantwortung während der Fahrt.«
»So ist das nun mal, Sir.« Der kleine Dicke schob seinen gelben Plastikhelm aus der Stirn. »Dafür bekommen Sie auch eine Menge Geld. Wir sind nur dafür verantwortlich, daß die 200.000 Tonnen ins Schiff fließen, dann sagen wir ›Gute Fahrt‹ und sind weg. Was wollen Sie von uns, Kapitän?«
»Ich möchte eine Unterschrift unter einen Bericht, in dem Sie aussagen, daß die Maringo nie von einer Klassifikationsgesellschaft besichtigt worden ist.«
»Das können wir nicht«, warf der dürre Ingenieur sofort ein.
»Und warum nicht?«
»Weil wir darüber nichts sagen können. Wir haben das Zertifikat bekommen, und das allein ist für uns maßgebend. Darauf können wir uns immer berufen … Alles andere interessiert uns nicht. Wenn Sie mehr wissen, Sir, dann protestieren Sie. Aber es wird nichts nützen. Hier arbeiten alle Hand in Hand, und in jeder Hand knistern begehrte Scheinchen. Man wird Sie auslachen. Sie wollen ein Kontrollorgan kontrollieren? Man wird Sie für verrückt halten.« Der Ingenieur kratzte sich die Nase und blickte hinüber zu den Einfüllstutzen. »Ich muß zu meinen Leuten, Sir. Haben Sie noch Fragen?«
»Nein!« antwortete Heßbach gepreßt. »Nein … das genügt mir.«
»Dann gute Fahrt, Kapitän.« Die beiden Ingenieure legten die Hand an ihre gelben Helme. »Und wälzen Sie nicht so viele Gedanken. Die Maringo ist eine alte, erfahrene Dame und wird Sie sicher nach Rotterdam bringen. Es schwimmen ganz andere Tanker auf dem Meer. Dagegen ist die Maringo eine unschuldige Jungfrau. Was wir manchmal zu sehen bekommen … aber was soll's? Wir tun unsere Arbeit, wie bestellt. Alles andere kümmert uns nicht.«
Sie wechselten noch einen Blick, dann gingen die Ingenieure zurück zu den Füllschläuchen. Heßbach blickte ihnen nachdenklich nach. Eine Menge von Fragen gingen ihm durch den Kopf, aber er wußte, daß niemand darauf antworten würde. Dies hier war ein Geschäft besonderer Art, eine Verschwörung von Reedern, Ölfirmen und Kapitänen, eine Connection, noch geheimnisvoller und gewissenloser als die Mafia oder Cosa nostra. Hier saßen die Herren in weißen Hemden und gestreiften blauen Anzügen als ehrbare und angesehene Kaufleute in den höchsten Gremien und verfügten über eine Lobby wie kaum ein anderer Industriezweig. Die Macht dieser Herren war unübersehbar, denn Hunderttausende von Arbeitsplätzen hingen daran, von den Banken bis zum Hersteller von Schrauben oder Nieten. Wer wagte da, näher hinzusehen oder gar darüber zu sprechen?
Heßbach schlief schlecht in dieser Nacht. Er lag in dem breiten Bett und schrak immer wieder hoch, um tief aufatmend festzustellen, daß alles nur ein Traum gewesen war, was er gesehen hatte. So hatte er geträumt, daß er mit einem Schiff – nicht die Maringo – auf ein Riff auflief und das Schiff in der Mitte auseinanderbrach, und das Meer begann zu brodeln, als koche es; es teilte sich, und auf dem Meeresgrund sah er eine ganze Stadt liegen, unversehrt, mit Häusern und Türmen und Straßen, und eine Menge Menschen in grünen Kleidern starrten zu ihm hinauf und begannen zu winken: Komm zu uns! Komm zu uns! Und das Meer blieb offen wie ein schreiender Mund.
Schweißgebadet fuhr Heßbach hoch. Er erhob sich, ging zum Fenster und blickte hinaus über
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