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Öl-Connection

Öl-Connection

Titel: Öl-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Meer. Am Horizont war ein fahler Strich zu sehen, der Tag brach an. In wenigen Stunden laufen wir aus, dachte Heßbach, und dann fahre ich ein Schiff, in dessen Rumpf 200.000 Tonnen Öl schwappen und dessen Tankwände vielleicht so dünn geworden sind, daß eine sogenannte Jahrhundertwelle es aufreißen kann wie ein Kuvert.
    Nicht daran denken, Lothar, sagte er zu sich. Du hast den Job übernommen, nun kneife nicht, sondern führe ihn zu Ende. Aber das eine schwöre ich schon jetzt: Das ist die erste und letzte Heuer als Kapitän eines Tankers. Auch wenn man in Reederkreisen einem Kapitän eine Havarie nicht so schnell verzeiht, irgendeinen Kahn wird es für mich noch geben. Die Auswahl beim offenen Register ist groß … Ich werde alles fahren, nur keinen Tanker mehr!
    Er ging zu dem im Wohnraum stehenden Kühlschrank, holte eine Flasche Wodka heraus, mischte ihn mit Orangensaft und trank das hohe Glas in einem Zug leer. Dann legte er sich wieder hin und schlief noch zwei Stunden, diesmal traumlos, aber als er wieder erwachte und aufstand, fühlte er sich wie nach drei durchsoffenen Nächten, elend, matt, mit einem schalen Geschmack im Mund und Stechen in den Schläfen.
    Als er aus dem Fenster auf das Deck blickte, sah er McCracker bereits in vollem Einsatz: Die neue Mannschaft kam nach und nach an Bord. Wer schon auf dem Schiff war, stand in einer Reihe hinter McCracker, wer an Bord kam, wurde sofort mit Gebrüll empfangen:
    »Ihr Arschlöcher … könnt ihr euch nicht im Hafen sammeln und zusammen an Bord kommen! Hinten anstellen! Du lieber Himmel, was haben wir da wieder an Bord genommen? Und damit das von vornherein klar ist: Wer hier was zu sagen hat, bin ich! Ich heiße James McCracker, aber für euch bin ich der ›Hammer‹. Ist das klar? Und wer hier glaubt, er mache eine lustige Seefahrt im Liegestuhl, dem geht der Arsch in Flammen auf, so werde ich ihm hineintreten! Und wenn gleich der Käpt'n kommt, steht ihr stramm, verstanden! Der Käpt'n ist Deutscher, kein windiger Balkanese oder Grieche oder sonstwer.« McCracker faßte einen Mann ins Auge und trat auf ihn zu. »Warum glotzt du so dämlich?«
    »Ich bin schon unter vier deutschen Kapitänen gefahren, Hammer, aber so wie der Neue war noch keiner.« Der Mann, klein, drahtig, mit einem schmalen Vogelkopf, leicht geschlitzten Augen und hellbrauner Haut, die einen Ton ins Olive hatte, schüttelte den Kopf. »Und wenn er auch ein scharfer Hund ist, ohne uns kann er nichts machen.«
    Die anderen in der Reihe murmelten zustimmend. McCracker starrte den Sprecher mit einem Lächeln an, das nicht freundlich, sondern grausam war.
    »Woher kommst du?« fragte er.
    »Von den Philippinen.«
    »Name?«
    »Donc Samsu.«
    »Aha. Ein Mischling.«
    »Meine Mutter war aus Thailand.«
    »Ich will dir etwas sagen, Bastard: Noch so einen Satz, und ich hänge dich als Windsack an den Funkmast! Merk dir das, Donc.«
    »Auch du bist sterblich, Hammer«, erwiderte der Philippine. »Vergiß das auch nicht.«
    Es war eine versteckte Drohung, die McCracker sehr ernst nahm. Im Laufe seiner langen Seefahrerzeit hatte er viele Völkerschaften und deren Mentalität kennengelernt, vom amerikanischen Neger aus den Slums bis zu den kleinen, flinken, messergeübten Vietnamesen. Besonders stolz waren die Farbigen aus der Karibik, hinterhältig die Thais, fleißig und unermüdlich und immer zufrieden die Chinesen, nur wenn es um ihr ›Gesicht‹ ging, um ihre Ehre, waren sie unübertreffbar in ihrer Grausamkeit. Dann kamen 7.000 Jahre Erfahrung im Umgang mit ihrem Feind zutage, eine ungeheure Rache, gegen die es kein Wehren mehr gab. Die Philippinos waren dagegen sanftmütig, fleißig, gehorsam und dankbar für alles, was man ihnen zukommen ließ, ähnlich den Schwarzen aus Ghana, Kamerun, Togo, dem Kongo und von der Elfenbeinküste, die vor zweihundert Jahren noch von Sklavenhändlern angeboten wurden. Die Not im Lande ließ sie demütig werden, ebenso wie die Männer aus Vietnam, Laos und Malaysia, die nicht schreiben und lesen konnten, aber jede Arbeit annahmen und deshalb die Heuerbüros in den Häfen belagerten. Für einen Lohn, für den ein westlicher Seemann nicht mal ein Tauende aufgehoben hätte, wurden sie auf die Schiffe der Billigflaggen verteilt, ein buntes Völkergemisch voller sozialer und moralischer Gegensätze. Das verrottete Schiff wurde so zu einer schwimmenden Bombe. Für jeden Kapitän war es eine schwere Belastung und fast unlösbare Aufgabe, diesen bunten

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