Öl-Connection
»Da haben Sie Ihre Schnellbeladung.«
»Ich handelte nur gemäß meinen Anweisungen. Ich habe das geahnt. Eine Bitte, Kapitän … Lassen Sie die Ventile erst auf freier See öffnen, nicht hier an der Insel.«
»Ich soll, hochexplosiv gefüllt, die Maschinen anwerfen?!« schrie Svensson empört. »Higgens, wo ist Ihr Verstand?«
»Wo ist Ihrer, Kapitän? Sie sehen doch: Wir fackeln ab! Wenn Ihr Knallgemisch …« Er sprach nicht weiter. Es war auch nicht nötig, Svensson sah die Notwendigkeit stumm ein, so schnell wie möglich von der Norge VI Abstand zu gewinnen.
»Wir legen sofort ab, Andersen«, sagte er mit plötzlich belegter Stimme zu seinem Ersten. »Ganz langsam … und wenn wir auf freier See sind, blasen wir das Mistzeug raus! Mr. Higgens, ich habe mich gefreut, Sie kennenzulernen. Aber jetzt muß ich Sie bitten, von Bord zu gehen.«
Higgens nickte und verließ wortlos das Schiff. Er hatte verstanden: Svensson warf ihn hinaus. Höflich, freundlich, aber doch ein Hinauswurf. Das war nicht unser letztes Gespräch, Mr. Jeanmaire, dachte er, als er mit dem Lift hinauf auf die Plattform der Bohrinsel fuhr. Bis jetzt habe ich das Maul gehalten, aber es wird die Zeit kommen, wo man die Wahrheit in die Welt hinausschreien kann. Es fragt sich nur, ob die Welt es auch hören will und versteht.
Ganz langsam glitt die Unico II hinaus in die Nordsee. Am Ruder stand nun Karl Pusenke, Svensson daneben, der jeden Handgriff und jeden Befehl überwachte. Er hatte nichts auszusetzen … Der Tanker verließ die Festmacher so vorsichtig, als schwappten nicht 60.000 Tonnen Öl in seinem Leib, sondern 6.000 Kisten dünnes, zerbrechliches Glas. Erst als die Norge VI nur noch ein Punkt am Horizont war, gab Pusenke das Kommando ›Halbe Kraft‹.
»Zufrieden, Kapitän?« fragte er und grinste Svensson an. »Können wir jetzt mit dem Autopiloten fahren?«
»Noch nicht.« Svensson ging hinüber zu dem Weitradargerät und betrachtete eingehend den kreisenden grünen Zeiger und die Aufzeichnungen auf dem Bildschirm. Kein Schiff in der Nähe, stellte er zufrieden fest. Nur weit ab Schiffsbewegungen, die ihn nicht störten. Erst wenn man in die Schiffahrtsstraße einschwenkte, war die Route vorgezeichnet.
Svensson griff nach vorn und stellte den Hebel des Signalgebers auf ›Stop‹. Sofort hörte das Stampfen der Maschinen auf.
»Was ist los, Kapitän?« fragte Pusenke verwundert.
»Jetzt werden wir furzen!« Svensson lachte kurz auf. »Das kennen Sie noch nicht, Pusenke. Es ist ja Ihre erste Tankerfahrt. Sehen Sie sich das an.«
Das Telefon aus dem Maschinenraum läutete. Svensson hob ab und wußte im voraus, was er zu hören bekam. Dozek war am Apparat, seine Stimme klang aufgeregt.
»Was ist los, Kapitän?« fragte er. »Warum stoppen wir?«
»Ein Schiff ist ein Lebewesen wie du und ich«, antwortete Svensson fröhlich. »Und wenn ein Lebewesen Luft im Bauch hat, was tut es dann?«
»Keine Frage mehr, Kapitän.« Dozek legte auf.
Auf der Brücke stand Pusenke noch immer ratlos am Ruder und wartete auf eine Erklärung. Da Svensson schwieg, fragte er: »Was passiert nun, Kapitän?«
»Passen Sie mal auf.« Svensson griff zum Sprechfunkgerät und rief nach dem Ersten Andersen. Als sich Andersen meldete, sagte er knapp: »Alle Entlüftungen öffnen. Voll auf, Hogar. Und lassen Sie Schutzmasken aufsetzen.«
Es dauerte ein paar Minuten, dann rannten sechs Malayen und zwei Kariben über das lange Deck und stellten sich neben den großen, grün bemalten Rädern der Ventile auf. Andersen erschien, drückte das Sprechgerät an den Mund und meldete:
»Alles bereit, Kapitän.«
»Öffnen!«
Anderson hob den rechten Arm und ließ ihn wieder fallen: das Zeichen zum Öffnen. Die Malayen drehten wie wild an den großen Rädern, nur bei den Kariben gab es Probleme. Ihre Ventile ließen sich nicht öffnen, Rost hatte die Gewinde verklebt. Sie warfen ihr ganzes Gewicht in die Räder, aber die rührten sich nur um ein paar Zentimeter.
»Da sehen Sie, Pusenke, was Scheiße ist!« schrie Svensson. Er hatte einen hochroten Kopf bekommen und sah aus wie jemand, der gleich einen Schlaganfall bekommen würde. »Ich übernehme ein Schiff, und es heißt: Einwandfrei! Und was ist es wirklich?! Ein verrosteter Kahn! Andersen! Andersen!«
»Herr Kapitän?« meldete sich der Erste. »Es werden schon Hämmer und Eisenstangen geholt.«
Zwei Malayen hetzten über Deck und brachten zwei große Hämmer und Stahlstangen heran, und dann droschen
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