Öl-Connection
die Kariber auf das Ventil ein, klemmten die Stangen zwischen die Räderstreben und schafften es tatsächlich nach einer Viertelstunde, die Ventile wieder beweglich zu machen. Erneut hob Andersen seinen Arm. Die Ventile öffneten sich … zischend entwich das Öl-Luftgemisch aus dem Inneren der Tanks. Sofort umgab die Unico II ein bestialischer Gestank … Man sah keine Wolke, nicht einmal ein Flimmern, das Gas war völlig unsichtbar, nur drang es durch jede Ritze, ätzte die Schleimhäute, erzeugte Hustenreiz und ein unstillbares Niesen. Pusenke preßte sein Taschentuch gegen Mund und Nase und starrte Svensson an.
»Das … das …« stotterte er. Svensson sah ihn lächelnd an. Spott lag in seinen Augen.
»Was … das?!«
»Das stinkt bestialisch.«
»Ein Furz, der nicht stinkt, ist nichts wert.«
»Das Gas! Wir verseuchen doch die Luft …«
»Sind auch Sie ein Ökojüngling, Pusenke? Mein Gott, Greenpeace scheint ein Virus zu sein, eine Seuche! Glauben Sie, daß die paar Tonnen Gas, die wir ablassen, die Welt zugrunde richten?«
»Wenn das alle Tanker so tun, dann …«
»Pusenke, wir verpesten weder die Luft, noch sind wir schuld am sogenannten Ozonloch. Die paar Gaswölkchen verschwinden schnell und werden von den Winden auseinandergerissen. Pusenke, stecken Sie Ihre verlogene Moral weg. Auch die Greenpeace-Spinner attackieren uns oder Verklappungsschiffe mit Plastikbooten, die mit ihren Abgasen die Atmosphäre vergiften. Es würde keiner auf die Idee kommen, mit einem biologischen Holzkahn die Tanker anzugreifen. Und ihre Außenbordmotoren verlieren auch Benzin und Öl und verschmutzen das Meer. Da, sehen Sie –« Svensson zeigte auf das Deck. Die Mannschaft war dabei, die Ventile wieder zuzudrehen. »Es ist schon vorbei! Und die Welt ist wieder in Ordnung.«
»Aber das Gas steigt in die Atmosphäre.«
»Pusenke, ich will nichts mehr davon hören!« sagte Svensson wütend. »Sie sind als Steuermann auf dem Schiff, nicht als hyperidealistischer Ökologe.« Er griff nach dem Hebel des Maschinentelegrafen. Mit Schwung setzte er ihn auf ›Halbe Fahrt‹, um dann sofort weiterzuschalten auf ›Volle Fahrt‹.
Unten, im Maschinenraum, nickte Chief Dozek und ließ die Motoren donnern. Er ist wohl besoffen, der Alte, dachte er. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut – er machte einen so seriösen Eindruck. Ein Kapitän der Sorte Eisenfresser … aber nun zeigt er sich menschlich, und das macht ihn sympathisch. Was wirklich an Deck geschehen war, erfuhr er erst später beim Abendessen in der Offiziersmesse. Aber es war kein Problem für ihn, über das man diskutieren mußte. Schiffsalltag, mehr nicht. Und daß das Abblasen des Gases auch nicht ins Logbuch eingetragen wurde, war allein Sache des Kapitäns.
Mit voller Kraft hielt die Unico auf ihr nächstes Ziel: Die zweite Übernahmestation, die Bohrinsel Meermaid, wo sie 30.000 Tonnen Öl bunkern sollte. Morgens, gegen sieben Uhr, würde man sie erreichen, das hatte Andersen errechnet. Wieder ein schnelles Laden, und dann weiter zur Bohrinsel Seewolf, wo der Rest gebunkert wurde. Mit 110.000 Tonnen Öl im Leib schwenkte man dann ein in die Schiffahrtsstraße Nordsee, vorbei an den Shetland-Inseln, dem Skagerrak, Dänemark, den Nord- und Ostfriesischen Inseln, zwischen Holland und England hindurch nach Rotterdam. Ein ungefährlicher, von Tausenden von Schiffen befahrener Weg, solange kein Sturm die Nordsee aufpeitschte oder dichter Nebel alles unter einem undurchdringlichen Schleier begrub. Aber dafür gab es ja Radar, die Positionsmeldepunkte der Schiffe, die Lotsenstationen, die lückenlose Überwachung gerade in der deutschen Bucht … Rotterdam, eine Routinefahrt, die Svensson – das war nach der neuen Gesetzgebung möglich – schon zweimal ohne Lotsen gefahren war.
Andersen legte sein Navigationsbesteck zufrieden auf die detaillierte Seekarte. Kapitän Svensson schlief bereits, am Ruder stand Karl Pusenke, so souverän, als lenke er ein Fahrrad über einen Fahrradweg. Andersen kam an seine Seite und überflog das Radar. Nur wenige, weit entfernte Leuchtpunkte zeigten an, daß sie hier in diesem Gebiet der Norwegischen See, fast allein waren. Im Funkraum lag der Funker, ein Karibikneger, mit dem Kopf auf dem Tisch vor den Geräten und schlief. Genau genommen wurde der Tanker jetzt von drei Mann gefahren: Von Pusenke, Hogar Andersen und einem übermüdeten Malayen, der anstelle von Dozek die Maschinen überwachte, denn auch Dozek hatte sich in seine
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