Öl!
Plappermaul, und Ruth blickte Bunny etwas verlegen an, weil sie meinte, solche Worte schickten sich nicht in seiner Gegenwart. Aber Bunny antwortete, er sei auch nicht begeistert von den Wachmännern, ihm sei ganz schlecht geworden, als er sie an dem Ort sah, der doch eigentlich ihm gehörte. Meelie sagte, der Mann, der vor ihrem Haus Wache schiebe, sei kein schlechter Kerl, er wär früher mal Förster und Feuerwehrmann gewesen, aber die anderen seien zum Teil richtig fies, Pap habe Angst um die Mädchen, und sie dürften abends nicht auf die Straße, weil die so wild fluchten und die ganze Zeit Schnaps tranken.
Aus der Küche drang ein verführerischer Duft nach warmen Pfefferkuchen, und Bunny hatte noch nicht zu Mittag gegessen; also deckten die Mädchen den kleinen Tisch, die drei nahmen Platz und aßen Rührei mit Kartoffeln, Butterbrot, Ziegenmilch, Pfefferkuchen und Erdbeeren – denn Ruth, die es nicht sehen konnte, wenn ein Lebewesen litt, und sei es nur ein grünes, hatte die von Paul gesetzten Pflanzen sorgfältig gepflegt. Ruth war jetzt eine junge Dame von fast achtzehn, genauso alt wie Bunny, fühlte sich aber viel älter, wie das bei Mädchen so ist. Sie trug das blonde Haar hochgesteckt und ließ keine nackten Beine mehr sehen. Sie sah hübsch aus, wenn sie in der Küche arbeitete, weil sie dann rosige Wangen bekam; sie war sehr tüchtig in ihrem Reich und befahl einem, sitzen zu bleiben und nicht mit irgendwelchen Hilfsangeboten alles durcheinanderzubringen. Sie hatte die hellblauen Augen der Familie Watkins, und in ihrem Fall drangen sie dem Gegenüber mit offenem, ruhigem Blick bis ins Innerste und machten Täuschung und Herzlosigkeit unmöglich.
Um diese Zeit erlebte Bunny zu Hause gerade seine erste ernsthafte Liebesgeschichte, eine Leidenschaft, von der wir noch hören werden. Eunice Hoyt war ein ebenso reiches wie kompliziertes Mädchen, und mit ihr befreundet zu sein war manchmal ein Vergnügen, manchmal eine Qual. Ruth hingegen war ein armes und schlichtes Mädchen, ihre Gegenwart wirkte besänftigend, ruhig und friedlich wie ein Sonntagmorgen. Ruths Leben gründete auf der Überzeugung, dass ihr Bruder Paul ein großartiger und gütiger Mensch war. Paul hatte seine Arbeit mit zehn Dollar am Tag aufgegeben, um den Streikenden zu helfen, und Ruth buk für sie. Solange die Männer Geld hatten, verkaufte sie ihnen die Backwaren, und wenn sie keins mehr hatten, verschenkte sie sie.
Auch Meelie buk gern für die Männer, aber das war nicht ihr einziges Interesse an ihnen. Als das Öl auf die Watkins-Ranch kam, hatte sich Meelies Leben stark verändert, die Ziegenhirtin war nicht mehr zu erkennen; sie war aufgeblüht, hatte sich kluge Sprüche und feine Manieren zugelegt sowie ein buntes Band fürs Haar und eine Kette mit gelben Perlen für den Hals. Meelie war gestern Abend in die Stadt gegangen und hatte es sehr aufregend gefunden. Eli war jetzt ein etablierter Prediger mit einer eigenen Kirche und feierte jeden Abend einen Gottesdienst zur höheren Ehre des Herrn. Viele Streikende waren gekommen, die Gnade floss überreich, und zwischen den pfingstlichen Offenbarungen hatte Meelie Nachrichten über den Streik aufgeschnappt. Auf der Main Street war es zu einem Kampf gekommen, weil ein betrunkener Wachmann zu Mamie Parsons unverschämt geworden war; eine Abordnung, zu der auch Paul gehörte, hatte den Sheriff aufgesucht und gefordert, er solle seinen Hilfssheriffs entweder den Schnaps oder die Waffen wegnehmen. Morgen wollte Meelie wieder in die Kirche gehen – über den Tag verteilt fanden drei Gottesdienste statt. Es hieß, dass die Ölbosse am Montag Streikbrecher heranschaffen und die Bohrlöcher auf Excelsior Pete wieder in Betrieb nehmen würden. Die Arbeiter machten sich bereit, das nach Möglichkeit zu verhindern – denn das wäre schrecklich!
Bunny fuhr in die Stadt und wanderte umher, um sich die Sehenswürdigkeiten anzusehen, aber nicht eine machte ihm richtig Freude. Paul konnte er nicht aufsuchen, denn der arbeitete pausenlos in der Streikzentrale, und dort konnte Bunny nicht hin, dass hätte keinen guten Eindruck gemacht; am Ende dachten die Leute noch, er bespitzele sie. Bunny war nicht mehr der junge Ölprinz, den alle umschmeichelten und bewunderten, er war ein Feind und las Feindseligkeit in den Blicken der Männer, selbst wenn dort vielleicht gar keine war. Er war in der Lage eines Soldaten, der spürt, dass seine Sache ungerecht ist, und dem nicht nach Kämpfen zumute ist
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