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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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von dem er sich kühn erträumt hatte, er könne ihn aus dem Ross-Junior-Feld heraushalten. In Wirklichkeit trat die «Junior»-Seite des Geschäfts gerade in den Hintergrund, und die «Senior»-Seite gewann die Oberhand und prägte das Geschehen.
    Bunny saß im Büro des Geländes und nagelte seinen Vater mit Fragen fest. Brauchten sie tatsächlich Wachmänner gegen ihre eigenen Arbeiter?
    «Aber natürlich, Junge», protestierte Dad, «du glaubst doch nicht im Ernst, dass man Eigentum im Wert von drei Millionen Dollar unbewacht lassen kann?»
    «Von wem haben wir diese Wachmänner gemietet, Dad?»
    «Wir mieten sie gar nicht, mein Junge, das übernimmt der Verband.»
    «Aber könnten wir uns nicht eigene Wachmänner nehmen?»
    «Ich kenn keine und wüsste nicht, wo ich sie herkriegen soll. Ich müsste trotzdem zu einer Agentur gehen.»
    «Hätten wir nicht eigene Arbeiter nehmen können, die wir gut kennen?»
    «Streikende als Wachmänner? Aber, Junge, du weißt doch, dass das nicht geht!»
    «Warum nicht?»
    «Also, erstens wegen den Versicherungsgesellschaften – stell dir bloß mal vor, wie die mir nix, dir nix meine Feuerversicherung kündigen würden! Und wenn’s dann bei mir brennt, bin ich ruiniert. Begreifst du das nicht?»
    Doch, Bunny begriff. Ihm schien, als sei die ganze Welt eine einzige ausgeklügelte Maschinerie zur Vernichtung von Gerechtigkeit und Freundlichkeit, nur dazu bestimmt, Grausamkeit und Leid hervorzurufen. Und er und sein Vater waren Teil dieser Maschinerie und mussten mithelfen, sie in Gang zu halten, ob sie das wollten oder nicht.
    «Bezahlen wir diese Wachmänner, Dad?»
    «Natürlich werden sie uns in Rechnung gestellt.»
    «Dann läuft es darauf hinaus: Wir müssen zahlen, damit Fred Naumann den Streik brechen kann, obwohl wir nicht wollen, dass der Streik gebrochen wird!»
    Dad erwiderte, es komme ihm höllisch ungelegen, dass all diese ertragreichen Bohrlöcher schlagartig stillgelegt seien. Er wandte sich den Papieren auf seinem Schreibtisch zu, und Bunny saß eine Weile schweigend da und versuchte sich in die Gedankenwelt seines Vaters hineinzuversetzen. Es waren simple Gedanken, und es bedurfte keines besonderen Scharfsinns, sie zu deuten. Elf fördernde Bohrlöcher auf diesem Feld, am letzten Donnerstagmorgen mit einem Durchflussvolumen von insgesamt siebenunddreißigtausend Barrel Öl pro Tag – das bedeutete bei den derzeitigen hohen Preisen ein Bruttoeinkommen von fast zwei Millionen Dollar im Monat. Dads Kopf war erfüllt gewesen von all dem, was er mit diesem Geld machen wollte, nun war er erfüllt von dem Problem, wie er ohne dieses Geld auskommen konnte. Sein Gesicht war immer noch grau und sorgenzerfurcht, und Bunny tat das Herz weh. Er, Bunny, wünschte sich, dass die Arbeiter gewannen, aber wünschte er es sich immer noch, wenn es seinem Vater diese zusätzliche Last aufbürdete?
    5
    Paul war mit den Streikenden gegangen, erfuhr Bunny. Mr Ross hatte angeboten, ihn weiterzubeschäftigen, denn es gab noch Gebäude, die fertiggestellt werden mussten, und die Zimmerer streikten nicht. Doch nach einigem Überlegen war Paul zu dem Schluss gekommen, dass sein Platz an der Seite der Ölarbeiter war; sie hatten nicht viele gebildete Männer in ihren Reihen – das sei eine der Nöte, die ihnen der Zwölfstundentag beschere, deshalb müsse Mr Ross Pauls Kündigung annehmen, die endgültige oder vorübergehende, ganz wie es ihm beliebe. Dad hatte daraufhin gesagt, er nehme ihm nix übel, Paul könne gern zurückkommen, wenn der Streik vorbei sei.
    Bunny ging zum Rascum-Haus, um Ruth zu besuchen und nach Paul zu fragen. Die «Gartenbauoberinspektorin» war zusammen mit dem Chefzimmerer in den Ausstand getreten, aber sie wohnten noch immer im Bungalow, und Ruth versorgte Dad, wenn dieser sich in seinem Häuschen aufhielt. Ruth erzählte, Paul schaffe es gar nicht mehr, hier raus zu kommen, er schlafe auf einem Strohsack im Hauptquartier der Gewerkschaft, wo er an die zwanzig Stunden täglich arbeite. Deshalb blieb Meelie bei ihrer Schwester, und in jeder freien Minute waren sie am Backen. Dann kam der alte Mr Watkins, das ewig gleiche alte Pferd vor den ewig gleichen alten Wagen gespannt, und fuhr die Sachen nach Paradise, wo diese an die Streikenden verkauft wurden. Den Kiosk vor dem Grundstück der Watkins hatten sie geschlossen, denn dort gab es nur noch Wachmänner, und Wachmänner wollten sie nicht durchfüttern, selbst wenn sie verhungerten. Das sagte Meelie, das kleine

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