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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Wachmännern. Wieder war es zu Aufmärschen des Mobs gekommen, an anderen Orten auch zu Kämpfen zwischen den Hilfssheriffs und den Streikenden. Nicht lange, und mehrere Ausständler waren verletzt und ein paar Hilfssheriffs schlimm verprügelt worden. Der Verband ersuchte den Gouverneur, die Miliz zu entsenden, um sie in ihren Rechten zu schützen, welche durch gesetzlose Kriminelle gefährdet seien, die sich zusammenrotteten, um dem Staat Kalifornien Paroli zu bieten und das Land am Vorabend des Kriegs kampfunfähig zu machen.
    Neun von zehn Zeitungslesern glaubten diese Meldungen. Praktisch jeder in Bunnys Umgebung glaubte sie und hielt ihn für so etwas wie einen Spinner, weil er zauderte und zweifelte. Tante Emma zum Beispiel; sie wusste einfach, dass die Streikenden geborene Kriminelle und außerdem deutsche Geheimagenten waren – oder zumindest mit deutschen Agenten in Verbindung standen, was machte das schon für einen Unterschied? Die Damen in den Klubs hatten Informationen aus erster Hand, direkt vom Oberkommando, denn viele von ihnen waren mit einflussreichen Männern verheiratet, die stets auf dem Laufenden gehalten wurden und die Neuigkeiten an ihre Frauen weitergaben, und diese Frauen erzählten sie wiederum Tante Emma, die ein wohliger Schauder überlief, weil sie aufgrund der Finanzlage ihres Schwagers dazugehörte.
    Bertie war noch schlimmer, sie war die ungekrönte Königin all dieser engstirnigen kleinen Snobs. Bertie verkehrte mit dem jüngeren Klüngel, und auch diese Leute waren über alles im Bilde; sie mussten nicht einmal warten, bis es ihnen jemand erzählte. Bertie hatte sich das eine oder andere Mal herabgelassen, ein Bohrloch ihres Vaters zu besuchen, und dort hatte sie niedere Lebewesen bei den ihnen zugewiesenen Aufgaben beobachtet – schwarz verschmierte Geschöpfe, die zu ihrer Begrüßung an die Mütze tippten oder dies auch vergaßen, sie aber in jedem Fall mit stummer Ehrfurcht anstarrten. Unter ihren finsteren Brauen zeigten sich Anzeichen einer beinahe menschlichen Intelligenz, die Bertie mit Unbehagen erfüllte. Einmal war sie in Paradise gewesen, hatte in der Hütte übernachtet und Paul und Ruth, die sie bedienten, gönnerhaft behandelt. Die beiden hatten dies gespürt und waren in eisigem Schweigen erstarrt, und Bertie hatte leutselig eingeräumt, es seien recht anständige Leute, sie verstehe aber nicht, warum ihr Bruder unbedingt mit so jemandem befreundet sein wolle.
    «Meine Güte», hatte Bunny wütend hervorgestoßen, «wer sind wir denn schon?» Und abscheulich, wie er war, hatte er seine Schwester daran erinnert, dass ihr Vater vor gar nicht so langer Zeit in einem Baustofflager Maultiergespanne kutschiert hatte. Ob das Kutschieren von Maultieren vielleicht etwas Besseres sei als das Bauen von Häusern?
    Bertie hatte hoheitsvoll erwidert, ihr Vater habe sich durch angeborene Überlegenheit nach oben gearbeitet, sie wisse, dass er «gutes Blut» habe, auch wenn sie es nicht beweisen könne.
    Bunny hatte darauf geantwortet, Paul und Ruth hätten vielleicht auch «gutes Blut» und seien sicherlich auf dem besten Weg, sich nach oben zu arbeiten.
    Es war ein Thema, über das die beiden endlos stritten. Bertie blieb dabei, dass Paul ihren Bruder bevormunde, seine Gutmütigkeit ausnütze und ihn schauderhaft überheblich behandle. Paul habe sich angewöhnt, ihn «mein Junge» zu nennen, so wie Dad das tat, und das sei eine Unverschämtheit! Bertie sprach von dem Freund ihres Bruders immer als «dein ewiger Paul», und sie sagte: «Dein ewiger Paul hat Dad verraten, ich habe dir schon immer gesagt, solchen Leuten kann man nicht trauen.» Als Bertie merkte, dass ein Teil von Bunnys Wesen mit Paul sympathisierte und Mitgefühl für den «Mob» empfand, nannte sie ihn einen richtigen kleinen Schuft, einen undankbaren Gesellen und was sonst noch alles. Ihr Vater riskiere sein Leben, wenn er dort oben bei diesen Banditen bleibe – das tue keiner der anderen Ölbosse, die säßen in ihren Büros in Angel City und ließen ihre Stellvertreter den Streik niederschlagen. Aber Dad sei natürlich von Bunny und seinen albernen, sentimentalen Ansichten beeinflusst, und wenn ihm dort oben etwas zustoße, trage Bunny für den Rest seines Lebens die Verantwortung.
    Ein paar Tage später kam Dad heim und sorgte für noch mehr Empörung, als er den Familienmitgliedern mitteilte, sie müssten sich mit ihren Ausgaben einschränken, bis der Streik vorüber sei; vor ihm liege eine finanziell

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