Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
schwierige Zeit. Bertie schlug spöttisch vor, Bunny könne ja sein Auto verkaufen, um dem Vater aus der Klemme zu helfen. Dad erzählte, es habe auf dem Gelände etwas Ärger gegeben, einer der Streikenden habe sich abends mit einem Wachmann angelegt. Es sei nicht ganz klar, wen die Schuld treffe, aber der Hauptmann habe gedroht, alle seine Leute abzuziehen, wenn Dad die Streikenden nicht aus der Schlafbaracke und vom Gelände verweise. Schließlich hatten sie sich auf einen Kompromiss geeinigt, Dad zog einen Zaun zwischen dem Hauptareal und dem Bereich an der Straße, wo die Schlafbaracke und die Hütten der Männer standen. Es war ein Stacheldraht, acht Fuß hoch, und Bertie meinte spöttisch, das wäre wieder so eine Stelle, wo Bunny und «seine Ruth» Rosen ziehen könnten. Dieser Seitenhieb tat weh, vor allem weil er Bunny vor Augen führte, welche Rolle er in diesem Kampf spielte – er zog Rosen an dem Stacheldraht, der das Kapital von der Arbeiterschaft trennte.
    Dad schalt Bertie, die Männer seien keine Verbrecher, sondern zumeist anständige Burschen und gute Amerikaner, die Deutschen hätten überhaupt nichts damit zu tun. Es sei eben Pech, dass sie gerade jetzt von Agitatoren verleitet würden. Aber das machte die Sache für Bertie nicht besser, denn «Bunnys ewiger Paul» war einer der übelsten Agitatoren überhaupt. Außerdem fand Bertie, dass ihr Vater nicht da oben in dieser einsamen Hütte schlafen und sich von diesen Watkins-Leuten bekochen lassen sollte. Sie hatte eine böse Geschichte gehört, wonach streikende Restaurantangestellte den Gästen Gift in die Suppe geträufelt hätten, und als Dad und Bunny in Gelächter ausbrachen, sagte sie, sie glaube zwar nicht, dass Paul oder Ruth so etwas täten, aber bestimmt war ihnen nicht wohl dabei, wenn sie gleichzeitig für die streikenden Arbeiter und für Dad kochten, und Dad müsste ihnen eigentlich böse sein, weil sie ihn in einer solchen Krise im Stich ließen. Bunny ergriff die Gelegenheit zu erklären, dass Ruth ein ehrliches Mädchen sei. O ja, natürlich, unterbrach ihn seine Schwester, sie kenne schon Bunnys Bewunderung für die wunderbare Miss Ruth, als Nächstes bekämen sie noch zu hören, dass er in sie verliebt sei – oder in Meelie oder wie die andere hieß.
    Bunny stand auf und ging aus dem Zimmer. Bunny war in jemand anderen verliebt und fand seine Schwester mit ihrem Klassendünkel abscheulich. Trotzdem durfte er nicht vergessen, dass Bertie in ihren eigenen Kreisen generös, manchmal sogar herzensgut war. Sie stand treu zu ihren Freunden, half ihnen, wenn sie Unannehmlichkeiten hatten, und gab sich alle erdenkliche Mühe, wenn sie sie einlud. Diese Leute kannte Bertie eben, sie waren allesamt reich, deshalb betrachtete sie sie als ihresgleichen und war bereit, sich auf ihr Leben einzulassen. Die Ölarbeiter hingegen kannte Bertie nicht, das waren untergeordnete Wesen, geschaffen, ihr zu Gefallen zu sein, und verpflichtet zu einem Gehorsam, den sie ihr derzeit zu verweigern suchten.
    Aber was war Bertie denn, dass die Ölarbeiter sie auf Händen tragen sollten? Sie war eine schicke, schöne junge Frau, die sich darauf verstand, auf höchst kultivierte Weise Unmengen an Geld auszugeben, und die mit anderen, ähnlich begabten jungen Leuten befreundet war. Sie flitzte mit ihnen durch die Gegend und wusste nichts anderes zu erzählen, als was ihre Freunde gesagt und getan hatten und was sie besaßen. Bertie führte ein flottes Leben, kam selten vor dem Morgengrauen heim und stand nur dann schon vor dem Lunch auf, wenn sie zu einer Verabredung fortstürmen musste. Wozu hatte man schließlich so viel Geld, wenn nicht dazu, sich ein schönes Leben zu machen? Diesen Lehrsatz hämmerte Bertie ihrem jüngeren Bruder ein, Tante Emma wiederholte ihn wie ein Echo, und nun kam auch noch Eunice Hoyt, Bunnys Auserwählte, und setzte ihn am meisten unter Druck. «Du bist jung! Du bist jung!», riefen sie. «Warum willst du alle Last der Welt auf deine Schultern laden? Wo du doch ohnehin nichts tun kannst, denn die Welt ist fest gefügt und lässt es nicht zu, dass du auch nur an die kleinste angestammte, vorgegebene und besiegelte Unstimmigkeit rührst!»
    7
    Die deutschen U-Boote hatten ein amerikanisches Schiff zu viel versenkt, Amerika trat in den Krieg ein, der Kongress wurde zusammengerufen, und das ganze Land brannte vor Kriegslust. 31 In den Zeitungen standen seitenlange Berichte aus Washington, New York und den Hauptstädten Europas; kein

Weitere Kostenlose Bücher