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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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– dennoch ist es schwer, sich die eigene Niederlage zu wünschen!
    Am Sonntagmorgen schien die Sonne, und Bunny hatte noch nie solche Menschenmassen in Paradise gesehen. Eli hielt in dem Wäldchen neben seinem neuen «Tempel» einen Gottesdienst ab und predigte den Streikenden, wenn sie nur an den Heiligen Geist glaubten, brauchten sie sich um ihren Lohn keine Sorgen zu machen, es gebe doch das Wunder von den Broten und den Fischen; 30 sei nicht ihr himmlischer Vater in der Lage, sie zu speisen, wenn sie auf ihn vertrauten? Einige glaubten daran und riefen «Amen!», andere höhnten und verzogen sich lieber auf den Schulhof, wo die Gewerkschaft für alle, die an die Notwendigkeit fester Löhne glaubten, eine Versammlung abhielt. Bunny ging ebenfalls dorthin und hörte Paul seine erste Rede halten. Es war höchst aufregend für Bunny und eigentlich für die ganze Stadt. Eine zugegebenermaßen bizarre Situation, dass die beiden Watkins-Söhne, die rivalisierenden Wunderkinder hier aus der Gegend, zur selben Zeit redeten und dabei ziemlich gegensätzliche Lehren predigten!
    Zu Elis Gunsten muss man sagen, dass er den Streik nicht bewusst bekämpfte und wahrscheinlich gar nicht begriff, dass seine Lehre dem Arbeitgeberverband Vorschub leistete. Seine Schwestern buken Brot für die Streikenden, sie kneteten mit ihren wirklichen Händen und mit aller Kraft einen wirklichen Teig – und Eli verkündete unterdessen, dass er durch die Macht des Gebets körbeweise magisches Wunderbrot herstellen könnte. Warum er es dann nicht tue, höhnten die Skeptiker, und Eli antwortete, weil es ihnen am Glauben fehle. Sie entgegneten, es sei an ihm, den Anfang zu machen; die Herstellung eines einzigen Brotlaibs nach der Bibelmethode würde ihren Glauben vertausendfachen und die gesamte Gewerkschaftsbewegung in die Kirche der Dritten Offenbarung treiben!
    Paul hatte eine tiefe, volle Stimme und eine langsame, eindrucksvolle Sprechweise. Er war ein guter Redner, einfach deshalb, weil er keine Tricks anwandte, sondern in dem, was er zu sagen hatte, ganz aufging. Es drohte ein Kampf um die Wiedereröffnung der Bohrlöcher zu entbrennen; Paul hatte Anwälte zurate gezogen und sagte den Streikenden nun genau, worauf sie ein Anrecht hatten und was sie unterlassen mussten. Sie sollten auf ihren Rechten bestehen, dürften ihre Position aber nicht schwächen, indem sie auch nur die kleinste Gesetzeswidrigkeit begingen und damit ihren Feinden die Gelegenheit gäben, sie ins Unrecht zu setzen. Ihre ganze Zukunft stehe auf dem Spiel und auch die Zukunft ihrer Frauen und Kinder. Wenn sie den Drei-Schichten-Tag durchsetzen könnten, bliebe ihnen Zeit zum Lernen und Nachdenken, sie könnten ihre gesellschaftliche Stellung verbessern und ihre Kinder länger zur Schule schicken. Dies sei das eigentliche Ziel dieses Streiks, und wenn Demokratie nicht genau das bedeute, habe sie gar keine Bedeutung, und das Gerede von Patriotismus sei bloßes Geschwafel. Die riesige Menge jubelte Paul zu, und zu gern hätte Bunny auch gejubelt. Als er fortging, fühlte er sich elend und mit seinem Leben im Unreinen. Auf der langen, einsamen Rückfahrt nach Beach City hatte er genug Zeit, um darüber nachzudenken; er kam erst gegen Mitternacht an, und während der Fahrt hörte er über dem Brummen des Motors ständig Pauls Stimme, die alles in Frage stellte, was Bunny bisher zu glauben gemeint hatte.
    6
    Wieder in der Schule, musste Bunny sich seine Nachrichten über den Streik aus den Zeitungen beschaffen, und die klangen nicht gerade beruhigend. Die Presse fand, es sei ein Verbrechen gegen das Land, mitten in dieser Krise zu streiken, und sie strafte die Streikenden nicht nur, indem sie sie in langen Leitartikeln verteufelte, sondern auch mit grässlichen Berichten über ihr übles Benehmen. Am Dienstagmorgen konnte man lesen, dass Ölarbeiter – in den Berichten hießen sie nicht Streikbrecher – in Lastwagen zum Gelände der Excelsior Petroleum Company gebracht worden seien. An den Toren habe der Pöbel sie brüllend empfangen, verflucht, mit Schimpfnamen belegt und sogar mit Steinen beworfen. Der Arbeitgeberverband protestierte gegen diese Herrschaft von Aufrührern über eine friedliche Gemeinde, und dieser Protest wurde in voller Länge abgedruckt.
    Am nächsten Tag war die Victor Oil Company an der Reihe. Dieser Konzern hatte einen ganzen Eisenbahnzug voller Männer nach Roseville und von dort mit Autos nach Paradise gebracht, eskortiert von bewaffneten

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