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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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mit erhobenem Zeigefinger einen Haufen Unsinn, dann verdrückten sie sich und führten ein ganz anderes Leben – warum also sollte man sich von albernen Verboten zum Narren halten lassen? Liebe war ganz in Ordnung, wenn man dabei anständig blieb, und hatte man erst einmal begriffen, dass man nicht unbedingt Kinder kriegen musste, warum sollte man sich dann die Mühe machen zu heiraten? Die meisten Ehepaare waren sowieso unglücklich, und wenn die jungen Leute einen Weg fanden, glücklich zu sein, war das ihre Sache. Für die Alten galt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
    Ob Bunny darin etwas Unrechtes sehe? Nein, keineswegs, er sei nur deshalb so ein «prüder Kerl» gewesen, weil er Eunice noch nicht gekannt habe. Sie erwiderte, Männer dürften ein Mädchen, das ihnen Avancen mache, gar nicht beachten, und deshalb, fuhr sie funkelnd vor Übermut fort, sei es ab jetzt seine Aufgabe, die Sache in die Hand zu nehmen. Dazu war er gern bereit und wollte sofort damit beginnen, doch Eunice flitzte mit über vierzig Meilen die Stunde dahin, und lieber ließ sie zu, dass ihre Gefühle verletzt wurden, als dass sich das Auto überschlug.
    Ob es andere Mädchen gebe, die auch so seien wie Eunice, wollte Bunny wissen. Viele, antwortete sie und nannte ein paar Namen, und Bunny wunderte sich und war ein bisschen entsetzt, weil einige von ihnen eine wichtige Rolle in der Schule spielten und so überaus sittsam wirkten. Eunice schilderte ihm, wie es dort zuging; das Ganze glich einem Geheimbund, zwar ohne Ämter und feierliches Ritual, aber trotzdem mit strengen Regeln. Sie nannten sich die «Zulus», diese kühnen Geister, die zu tun wagten, wonach ihnen der Sinn stand; gegenseitig bewahrten sie treu ihre Geheimnisse und verhalfen den Jüngeren zu jenem Wissen, das für das Glück so entscheidend war. Die Alten nämlich behielten dieses Wissen misstrauisch für sich – wie man es vermied, Kinder zu bekommen, und was man tun musste, wenn es einen «erwischt» hatte. Über die Kunst der Liebe gab es geheime Kenntnisse und Bücher, die man in gewissen Läden kaufen oder im Arbeitszimmer des Vaters hinter anderen Büchern versteckt finden konnte. Solche Bücher wurden herumgereicht und von vielen gelesen.
    Ohne Zutun ihrer Eltern stellten diese jungen Leute einen neuen Moralkodex auf. Eunice war sich natürlich nicht bewusst, dass sie etwas so Imposantes tat, sie sprach einfach über ihre Gefühle, was sie mochte und wovor sie sich fürchtete. Wie liebte man richtig, auf diese oder auf jene Weise? Hielt Bunny es für möglich, dass man zwei Mädchen gleichzeitig lieben konnte? Claire Reynolds fand, das gehe nicht, Billy Rose dagegen behauptete, es gehe schon, und sie stritten sich ständig. Mary Blake kam gut zurecht mit den zwei Jungen, die sie liebten und abgemacht hatten, nicht eifersüchtig zu sein. Es war eine neue Welt, in die Bunny da eingeführt wurde, er stellte viele Fragen und wurde bei Eunices sachlichen Antworten ein paarmal rot.
    Bunny schlich sich um zwei Uhr morgens ins Haus, und kein Familienmitglied merkte etwas. Doch am nächsten Abend kam er wieder so spät und auch am übernächsten – hatte er Eunice nicht versprochen, «die Sache in die Hand zu nehmen»? Natürlich ahnte die Familie, dass etwas im Gange war, und die Reaktionen waren hochinteressant. Tante Emma und Großmama waren «völlig mit den Nerven fertig», vermochten aber nicht zu sagen, warum – diese Art Maulkorb hatte sich die ältere Generation selbst verpasst. Beide gingen zu Dad, sprachen aber nur über die späte Stunde und deren Auswirkung auf die Gesundheit eines Jungen. Doch Dad konnte auch nicht viel mehr tun. Als Bunny sagte, er mache mit Eunice Hoyt Ausflüge, erkundigte sich Dad, ob sie ein «nettes» Mädchen sei. Bunny antwortete, sie sei die Schatzmeisterin des Basketballteams der Mädchen, ihr Vater sei Mr Hoyt, den Dad ja kenne, sie besitze ein eigenes Auto und habe sogar das Abendessen bezahlen wollen. Es bestand also nicht die Gefahr, dass Bunny «ausgenommen» wurde, und Dad sagte nur: «Lass es ruhig angehen, mein Sohn, versuch nicht, dein ganzes Leben in ein paar Wochen zu leben.»
    Dann gab es noch Bunnys Schwester, und das war merkwürdig. Hatte Bertie insgeheim eine Nachricht erhalten, etwa über Verbindungen zu den « Zulus » ? Sie sagte nur: «Ich bin froh, dass du dich zur Abwechslung endlich mal für etwas anderes interessierst als für Öl und streikende Arbeiter.» Doch hinter diesem Satz lag ein ganzer

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