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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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ständig vage Andeutungen und lebte im Gefühl kolossaler Verantwortung.
    Es ließ sich allerdings nie vorhersagen, wie sich diese Kriegserregung auf die einzelnen Personen auswirkte. Hätte man zum Beispiel gedacht, dass eine ehrwürdige alte Dame von weit über siebzig, auf einer Ranch aufgewachsen und angeblich völlig davon in Anspruch genommen, Ölbilder zu malen, sich plötzlich als Parteigängerin der Hunnen entpuppen würde? Dies nämlich war der Fall bei Großmama, welche erklärte, sie könne mit diesem Krieg nichts anfangen, die Deutschen seien nicht schlimmer als die anderen Beteiligten, alle hätten Blut an den Händen, und diese Gräuelmärchen und der Spionagequatsch bezweckten nur, dass die Leute den Feind hassen lernten. Großmama aber hatte nicht vor, jemanden zu hassen, mochten Emma, Bertie und ihre Freunde noch so sehr toben, und sie demonstrierte ihren Protest mit einem Gemälde, auf dem altmodisch gewandete Deutsche aus bunten Steinkrügen Bier tranken. Als sie das Gemälde ins Esszimmer hängen wollte, gab es einen Riesenspektakel; Tante Emma und Bertie beschworen Dad, ihr das zu verbieten!
    All dies war Teil von Bunnys Ausbildung; er hörte zu und lernte. Von seinem ruhigen, unerschütterlichen alten Vater lernte er, die Schwächen der menschlichen Natur freundlich zu belächeln und im übrigen Dollars anzuhäufen. Reden waren schon recht, aber am Ende würden Kugeln und Granaten den Krieg gewinnen, und um diese zum Schlachtfeld zu bringen, brauchte es Transportmittel. Das Öl, das Dad aus dem Boden holte, bewegte die großen Lastwagen, mit denen Munition zur Front gekarrt wurde, und schob die riesigen, schnellen Frachter und ihren Geleitschutz, die flinken Zerstörer, übers Meer. Es schmierte die Maschinen in den Fabriken, und man brauchte ständig mehr davon. Kaum war der Streik vorüber, schloss Dad Verträge mit der Regierung und brachte im Ölfeld Paradise ein Dutzend neue Bohrungen nieder. Es bekümmerte ihn nur, dass er nicht dreimal so viele Verträge abschließen und nicht dreimal so viele Bohrungen niederbringen konnte; die Großen, die die Banken im Griff hatten, bewilligten ihm nicht genug Kredite, zumindest solange er nicht mit ihnen gemeinsame Sache machte und ihnen den Löwenanteil überließ. Das war eine andere Art von Krieg, der wurde hier zu Hause geführt, und es bestand keine Aussicht, dass er durch Präsidentenreden beendet wurde. Das sei der Grund, erklärte Dad Bunny, warum der «Idealismus» eines Geschäftsmanns seine Grenzen habe.
    4
    Paradise florierte. Alle Männer waren wieder an der Arbeit, sogar die von der schwarzen Liste; sie bekamen einen Dollar mehr pro Tag, und eine weitere Gehaltserhöhung war ihnen in Aussicht gestellt; einen guten Schichtführer konnte man in Gold aufwiegen. Auch hierher kamen die «Vierminutenmänner», und die Ölarbeiter hörten ihnen gern zu; sie waren Patrioten und hätten sich bis auf den letzten Mann freiwillig gemeldet, aber sie wurden für diese Arbeit gebraucht, es gab nichts Wichtigeres als Öl, und sie mussten ihrem Land dadurch dienen, dass sie das Zeug am Fließen hielten und auf der Lauer lagen, um Brandanschläge, in Bohrlöcher geworfene Blockaden und andere Sabotageakte feindlicher Geheimagenten zu verhindern.
    Paul war wieder Dads Bauleiter. Aber dann kam die erste Einberufung, und Paul hatte eine Glückszahl. Dad erbot sich, ihn vom Wehrdienst befreien zu lassen, es mussten ja für die Männer, die die neuen Bohrlöcher bohrten und betrieben, Baracken gebaut werden. Dad vermochte solche Dinge zu regeln – begreiflich, wenn man wusste, dass die Freistellungskommission von Mr Carey geleitet wurde, jenem Rancher, der Geld von Dad angenommen hatte, als die Straße zu den Bohrlöchern gebaut wurde. Doch Paul lehnte ab. Es gebe verheiratete Männer mit Familien, die genauso viel vom Häuserbauen verstünden wie er, deshalb würde er seinen Beitrag lieber an der Front leisten.
    Paul und Bunny waren wieder Freunde und diskutierten endlos. Paul war nicht annähernd so begeistert vom Krieg, wie Bunny dies für angebracht hielt; er pflichtete ihm zwar bei, dass sie siegen müssten, wenn sie schon einmal mitmachten, war aber keineswegs überzeugt, dass es unbedingt nötig sei, mitzumachen, deshalb musste Bunny all die Gründe wiederholen, die er von den Rednern in der Schule gehört hatte. Das sorgte für lebhafte Stunden im Rascum-Häuschen – denn, so seltsam es klingen mag, Ruth hatte zum Krieg dieselbe Einstellung wie

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