Öl!
Mutter die Nachricht überbrachte, einen peinlichen Auftritt zu ersparen, behielt sie ihn in ihrem Zimmer. Falls die Mitteilung irgendwelche Seelenqualen ausgelöst haben sollte, erfuhr Bunny nie davon, weil die Wohltäterin der serbischen Waisenkinder im Bett frühstückte und in der Morgenzeitung die Berichte über ihre mondäne Menschenfreundlichkeit las.
Danach war das Eis gebrochen. Der erste Schritt ist der entscheidende, wie die Franzosen sagen, obwohl man bezweifeln darf, dass im altmodischen Frankreich jemals irgendwelche Eltern zu einem so einschneidenden Schritt gezwungen worden sind. Das regnerische Wetter hielt an, das Knutschen im Freien wurde ungemütlich, und so blieb Bunny, wenn er herbeizitiert wurde, bei Eunice zu Hause; alles lief sehr familiär und geregelt ab, ganz wie es modernen, fortschrittlichen Vorstellungen entsprach. Eigentlich fehlte nur noch eine Kleinigkeit, und Bunny schlug sie vor: «Eunice, wollen wir nicht heiraten? Dann haben wir es hinter uns.»
Er erschrak über ihre heftige Reaktion. «O Bunny, wir haben es so schön, warum willst du das kaputtmachen?»
«Aber wieso denn kaputtmachen?»
«Alle Verheirateten sind unglücklich. Ich weiß es, weil ich sie beobachtet habe. Mama und Papa würden eine Million Dollar drum geben – na, vielleicht nicht ganz so viel, aber bestimmt ein paar Hunderttausend –, wenn sie sich ohne die ganzen Scherereien vor Gericht und die schrecklichen Artikel in den Zeitungen mit Fotos und all dem trennen könnten.»
«Bei uns wäre das nicht so, Liebes.»
«Woher weißt du das? Wenn wir heiraten, würdest du glauben, du hättest ein Recht auf mich, und würdest nicht mehr tun, was ich sage, und dann wäre ich unglücklich. Komm, lass uns so leben, wie wir wollen, nicht wie die anderen es von uns verlangen. Mein Leben lang haben mich Menschen rumkommandiert, und ich habe mich dagegen gewehrt, sogar gegen dich, Bunny-Bär.» Sie hatte Dutzende solcher Bezeichnungen für ihn, schließlich eignete sich sein Name besonders gut für Partyschmusereien. Ein Tanz hatte den Namen «Bunny-Schieber» bekommen, und dazu musste er sich einiges anhören.
In diesen wohlhabenden, eleganten Kreisen schien an der Oberfläche alles anständig und korrekt zu sein und dem Bild von der Ehe zu entsprechen, wie es im Gesetz verankert war und in den Kirchen gepredigt wurde. Doch unter der Oberfläche stieß man in sämtlichen Schichten, oben wie unten, auf Menschen, die sich für unglücklich hielten und deshalb geheime Abmachungen getroffen hatten. Männer und Frauen gewährten einander Freiheiten, wechselten die Partner, brachten ihre Freunde mit ins Haus, die in Wirklichkeit Ersatzehemänner und -ehefrauen waren. Kameraden, Sekretärinnen, Gouvernanten und Verwandte spielten diese Rollen, und wenn die Kinder es herausfanden, konnten sie ihre Eltern unter Druck setzen, sie gewissermaßen innerfamiliär erpressen, ein bequemer Weg, um zu Autos, Pelzmänteln und Perlenketten zu gelangen – und zum Allerkostbarsten, dem Recht, den eigenen Willen durchzusetzen.
8
Anfang des Jahres, in dem Amerika in den Krieg eintrat, hatte das russische Volk seinen Zaren vom Thron gestürzt und eine Republik ausgerufen. Das hatte den meisten Amerikanern gefallen; sich mit einer Republik zu verbünden war doch wesentlich angenehmer. Aber jetzt, im Herbst, geschah etwas Schreckliches: Wieder gab es eine Revolution, aber diesmal nicht von achtbaren Gelehrten und Geschäftsleuten, sondern von wild dreinblickenden Fanatikern, sogenannten «Bolschewiken», die anfingen, Eigentum zu konfiszieren und Gegenstände zu zertrümmern. Sehr bald wurde deutlich, welches Unheil das für die Alliierten bedeutete. Russland würde sie im Stich lassen, damit würde im Osten ein Großteil der deutschen Streitkräfte frei und könnte an die bereits ziemlich erschöpfte Westfront geworfen werden. Schon zerfiel die russische Armee, die Soldaten desertierten massenweise und strömten in die Städte und Dörfer zurück; gleichzeitig begannen die Führer der neuen Regierung mit einem weltweiten Propagandafeldzug gegen die Alliierten und ihre Kriegsziele.
Wer waren diese Führer? Für Amerika genügte die Meldung, dass eine Horde, die sich in der Schweiz versteckt hatte, von der deutschen Regierung in einen versiegelten Zug gesteckt, quer durch Deutschland eskortiert und in Russland abgeladen worden war, um möglichst viel Unheil anzurichten. Lenin und die Seinen waren also von den Hunnen angeheuerte Agenten;
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