Öl!
hätten. Zufällig war es der 4. Juli, und wir feierten unsere Revolution – warum hatten wir die ihre niedergeschlagen? Natürlich konnten wir das nicht beantworten, niemand von uns wusste, warum wir es getan hatten, aber ganz allmählich fanden wir es heraus.»
Paul schwieg und wartete so lange, dass Bunny glaubte, er würde nicht fortfahren. «Warum, Paul?»
«Unmittelbar vor der Stadt, entlang der Eisenbahngleise, gab es Felder – es mochten gut und gerne zehn, zwanzig Morgen Land sein, auf denen sich zwanzig Fuß hoch Gerät türmte – Waffen, Bomben, Lokomotiven, Schienen, Lastwagen, Maschinen – alles, was man braucht, um einen Krieg zu gewinnen. 63 Einiges davon war in Kisten verpackt, anderes nicht einmal mit einer Plane zugedeckt, es lag nur im Regen und versank langsam. Die schwereren Teile steckten schon zwei Fuß tief im Schlamm. An die hundert Millionen Dollar waren da von den Dampfern abgeladen worden und sollten eigentlich quer durch Russland transportiert werden, aber dann war die Revolution ausgebrochen, und nun lag das Zeug da. Wir mussten sie bewachen, das war eine unserer Aufgaben. Anfangs glaubten wir natürlich, das Ganze gehöre der Regierung, aber mit der Zeit erfuhren wir die wahre Geschichte. Ursprünglich hatte die britische Regierung das Zeug für die Regierung des Zaren gekauft und dafür Schuldverschreibungen bekommen. Später, als wir in den Krieg eintraten, übernahm die Firma Morgan & Co. die Obligationen von der britischen Regierung, und dieses Material war Morgans zusätzliche Sicherheit. Wir hatten also die Regierung von Wladiwostok gestürzt, um es für ihn zu erhalten.»
Wieder entstand eine Pause. «Paul», fragte Bunny beunruhigt, «weißt du das sicher?»
Paul lachte, aber nicht heiter. «Sicher?», fragte er. «Hör zu, mein Sohn. Sie haben einen Trupp geschickt, zweihundertachtzig Mann für den Betrieb der Eisenbahn, alle erdenklichen Fachleute, Bahnwärter, Telegrafisten, Streckenarbeiter, Lokomotivführer. Alle trugen die Uniform der Armee und standen mindestens im Rang eines Leutnants, natürlich dachten wir, sie gehörten wie wir zur Armee. Aber sie wurden fabelhaft bezahlt, und es war kein Sold, sondern Schecks, ausgestellt auf eine Bank an der Wall Street! Ich habe Dutzende dieser Schecks gesehen. Es war ein Privattrupp, der für die Bankiers die Eisenbahn betreiben sollte.»
«Aber warum, Paul?»
«Wie gesagt, um den Streik zu brechen. Den größten Streik in der Geschichte – die russischen Arbeiter gegen die Gutsbesitzer und Bankiers; und wir sollten die Arbeiter niederringen und den Gutsbesitzern und Bankiers aufhelfen! Hie und da gab es ein Häufchen Flüchtlinge, ehemalige Offiziere aus der zaristischen Armee, Großherzöge mit ihren Geliebten oder Gutsbesitzer und ihre Familien; die schlossen sich zusammen und bezeichneten sich als Regierung, und unsere Aufgabe war es dann, sie reichlich mit Nachschub zu versorgen. Sie druckten Papiergeld, heuerten ein paar Abenteurer an, schnappten sich einen Haufen Bauern und zogen sie zwangsweise ein; das sollte ein ‹Heer› sein, und wir verfrachteten es per Eisenbahn, damit es eine weitere Sowjetregierung stürzen und ein paar hundert oder tausend Arbeiter abschlachten konnte. Das war meine Aufgabe in den letzten eineinhalb Jahren. Wundert es dich da, dass ich krank bin?»
«Paul, hast du Menschen töten müssen?» Das war Ruths Stimme, voller Entsetzen.
«Nein, ich glaube nicht, dass ich jemanden getötet habe. Ich war Zimmerer und hatte nur mit den Japsen zu kämpfen, unseren angeblichen Verbündeten. Die Japaner waren da, um sich das Land unter den Nagel zu reißen, sie wünschten weder den weißen noch den roten Russen Erfolg. Als Erstes fälschten sie das Geld der Weißen, brachten Milliarden von falschen Rubeln in Umlauf und kauften alles, was ihnen vor die Augen kam – Banken, Hotels, Geschäfte, Immobilien –, sie machten sich zu Kapitalisten und trieben die weiße Regierung mit ihrem Falschgeld in den Ruin. Sie nahmen es uns übel, dass wir da waren und den Weißen zu helfen versuchten; sie redeten uns ständig drein, und ein paarmal stellten wir unsere Truppen auf und drohten zu schießen, wenn sie nicht in fünf Minuten verschwunden wären. Immer nahmen sie unsere Leute aufs Korn; dreimal hat man im Dunkeln auf mich geschossen – eine Kugel fuhr mir durch die Kopfbedeckung, eine andere durchs Hemd.»
Ruth saß da, kreideweiß im Gesicht, die Finger krampfhaft ineinander verflochten. Sie sah
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