Öl!
Disputant disputieren, sie wurden aber nicht zu Teepartys und Bällen eingeladen und nicht auf prominente Posten in den Studentenorganisationen gewählt; solche Ehren waren groß gewachsenen Angelsachsen mit ebenmäßigen Gesichtszügen vorbehalten, die sich das pomadisierte Haar aus der Stirn kämmten und ihre Hosen mit den messerscharfen Bügelfalten niemals zwei Tage hintereinander trugen.
Dieser Bunny Ross aber hörte nicht auf, mit «gefährlichem Gedankengut» herumzuspielen, und das ärgerte seine Freunde. Natürlich gab es – das war vorauszusehen – «Barbaren» und «Hanswurste», die sich partout dort Einlass verschaffen wollten, wo sie unerwünscht waren, und bereitwillig die Überzeugung vorschützten, unser Land dürfe sich in Russland nicht einmischen, wenn sie durch diese Bekundung jemanden aus der gesellschaftlichen Elite kennenlernen konnten. So kam es, dass Bunny mit allerlei komischen Käuzen im Gespräch war. Zum Beispiel mit Peter Nagle, dessen Vater Präsident einer «rationalistischen Gesellschaft» war und der nur von einem einzigen Verlangen beseelt schien: im Unterricht herauszutrompeten, dass das Grundübel auf Erden der Aberglaube sei und dass die Menschheit sich nie weiterentwickeln werde, wenn sie nicht aufhöre, an Gott zu glauben. Man kann sich vorstellen, wie beliebt ihn das an einer Universität machte, dessen Lehrkörper aus gottesfürchtigen Methodisten zu bestehen hatte. Peter sah genau so aus, wie man es von einem solchen Flegel erwartete: großer Quadratschädel, breiter, zähnefletschender Mund und ein flachsblonder, über die Ohren wuchernder Haarschopf, aus dem Schuppen auf seinen Jackettkragen regneten. Im Übrigen passte das Jackett nicht zur Hose, und seinen Lunch brachte er eingewickelt und verschnürt in die Universität mit!
Oder mit Gregor Nikolajew. Gregor war schon in Ordnung, wenn man ihn näher kannte, aber das Problem war, dass man ihn nur schwer kennenlernen konnte, weil er einen absonderlichen Akzent hatte und ihm im entscheidenden Moment das englische Wort nicht einfiel. Er hatte rabenschwarzes Haar, schwarze Augen und darüber eine düster gerunzelte Stirn, kurzum, er war die Verkörperung dessen, was die Studenten einen Bolschewiken nannten. Zufällig hatte Gregors Vater einer jener Revolutionsparteien angehört, die die Bolschewiken nun ins Gefängnis warfen, aber wie sollte man das einer Studentenschaft erklären, für die alles auf ein und dieselbe Müllkippe gehörte: Sozialisten und Kommunisten, Syndikalisten und Anarchisten, Anarchokommunisten und Anarchosyndikalisten, Sozialrevolutionäre und Sozialdemokraten, Populisten, Fortschrittler, Befürworter der Einheitssteuer, Mitglieder des Bundes der Überparteilichen, Pazifisten, Pragmatiker, Altruisten, Vegetarier, Gegner der Vivisektion und Gegner der Todesstrafe.
Dann gab es noch Rachel Menzies, die einem Volk angehörte, dass vom Herrn auserwählt war, nicht jedoch von oben genannter Studentenschaft. Rachel sah ziemlich gut aus, wenn auch auf dunkle, exotische Weise; sie war untersetzt – weibliche Lästerzungen hätten gesagt: «plump» – und legte keinen Wert auf Äußerlichkeiten, sondern kam in schwarzen Baumwollstrümpfen und einer taillierten, nicht zum Rock passenden Bluse in die Universität. Es ging das Gerücht um, dass ihr Vater in einer Kleiderfabrik arbeitete und ihr Bruder den Studenten die Hosen bügelte, um seine Ausbildung zu finanzieren.
Und nun ließ sich der Entdecker und rechtmäßige Erbe des Ross-Junior-Ölfelds in aller Öffentlichkeit mit diesen Leuten sehen und versuchte sogar, sie seinen Verbindungsbrüdern vorzustellen; er rechtfertigte sich damit, dass sie an die «Redefreiheit» glaubten. Als läge das nicht nahe, solche Leute konnten schließlich nur gewinnen und hatten nichts zu verlieren! Proletarier aller Universitäten, vereinigt euch!
Der arme Bunny musste sich von beiden Seiten Vorwürfe machen lassen. «Hören Sie», sagte Donald Burns, Vorsitzender der Studenten im zweiten Studienjahr, «stellen Sie mir bloß nie wieder so eine jüdische Elfe vor!» Und Rachel Menzies sagte: «Hören Sie, stellen Sie mich ja nie wieder einem solchen Stutzer vor!» Bunny widersprach; er war der Ansicht, dass die verschiedenartigsten Menschen einander kennenlernen mussten, aber Rachel ließ ihn wissen, dass es hier um Selbstachtung ging. «Sie sind vielleicht nie im Leben verächtlich behandelt worden, Mr Ross, aber wir Juden lernen früh im Leben, nirgendwohin zu gehen,
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