Öl!
bei der bloßen Vorstellung entsetzt sein. Und dann Dad – ein solches Abenteuer wäre der Todesstoß für den «Bildungskram». Bunny musste ablehnen. Rachel Menzies antwortete, das sei in Ordnung, es gebe viele Entschuldigungen, sie mache niemandem Vorwürfe, wenn er sich die beste aussuche, aber dann dürften sie Mr Irving auch nicht unterstellen, er hätte keinen Mut!
3
Kurz darauf las Bunny in der Zeitung, dass der Truppentransporter «Bennington» mit zweitausend Mann aus Sibirien in San Francisco eingelaufen sei. Da auch Pauls Einheit in der Liste aufgeführt war, telefonierte Bunny mit Ruth, teilte ihr die Neuigkeit mit und bat sie, ihm sofort Bescheid zu geben, wenn sie Nachricht erhielt. Zwei Tage später rief Ruth an – Paul war in Paradise! Es war ein Freitag, deshalb «schwänzte» Bunny seine Nachmittagsvorlesungen und sprang ins Auto. Dad hatte wegen einer Fangarbeit nach Lobos River fahren müssen und verpasste deshalb dieses erste Wiedersehen.
Paul war fast zwanzig Monate fort gewesen, und Bunny war ganz überdreht vor Ungeduld. Der erste Anblick versetzte ihm einen Schock; Paul sah entsetzlich aus, ausgemergelt und gelb, und seine Khakijacke schlotterte an ihm. «Du warst krank!», rief Bunny.
«Ja», sagte Paul, «aber es geht mir schon besser.»
«Erzähl, was passiert ist, Paul!»
«Na ja, es war kein Honiglecken.» Anscheinend glaubte er, das würde seiner Schwester und seinem Freund genügen, nach eineinhalb Jahren!
Sie saßen drüben in der Hütte auf dem Rascum-Gelände, wo Ruth und Paul in ihren Anfängen als Hausbesorger gewohnt hatten. Es war Abendessenszeit, und das Mädchen hatte ein reichliches Mahl zubereitet; doch Paul hatte keinen rechten Appetit, er wagte sich noch nicht an gutes Essen. Bei Tisch erzählte er ihnen von Manila, wo sie einen Zwischenstopp eingelegt hatten, und von einem Sturm auf dem Pazifik, aber kein Wort über Sibirien!
Das ging natürlich nicht. Nach dem Essen setzten sie Paul in einen Sessel, und Bunny begann: «Hör zu, Paul, ich habe versucht, aus dieser russischen Geschichte klug zu werden. Ich habe mich mit fast allen, die ich kenne, darüber gestritten und mich darauf verlassen, dass du die Wahrheit weißt. Also bitte, erzähl uns davon – einfach nur, was dir passiert ist.»
Paul saß da, den Kopf zurückgelehnt. Sein Gesicht mit der markanten Nase und dem breiten Mund, dessen Winkel ein wenig nach unten zeigten, hatte immer schon melancholisch gewirkt; jetzt, wo er so hager war, hatte sich diese Tendenz noch verstärkt, und er glich einer tragischen Maske. «Was mir passiert ist?», fragte er leise, dann schien er sich unter Mühen der Erinnerung zu stellen. «Ich will dir sagen, was passiert ist, mein Sohn. Ich bin entführt worden.»
«Entführt?» Wie aus einem Munde wiederholten die beiden anderen das Wort.
«Ja, genau. Ich hatte gedacht, ich sei zur Armee gegangen, um den Kaiser zu verjagen, aber ich wurde von Wall-Street-Bankiers entführt und als Streikbrecher eingesetzt.»
Ruth und Bunny saßen nur da, starrten Paul an und warteten darauf, dass er ihnen seine seltsamen Worte erklärte.
«Erinnerst du dich an unseren Ölstreik, Bunny? An die Wachmänner, die der Arbeitgeberverband geschickt hat, stämmige Kerle mit Waffen, guter, warmer Kleidung, Regenmänteln, wasserdichten Hüten und allem? Nun, genau das habe ich eineinhalb Jahre lang getan, ich habe im Auftrag der Wall-Street-Bankiers einen Streik niedergeschlagen. Die Wachmänner hier in Paradise haben am Tag zehn Dollar bekommen, und wenn sie keine Lust mehr hatten, konnten sie den Dienst quittieren; ich habe dreißig im Monat gekriegt und Prügel, und wenn ich versucht hätte, den Dienst zu quittieren, hätten sie mich erschossen. Eine todsichere Sache für die Bankiers.»
Wieder trat eine Pause ein. Paul hatte die Augen geschlossen und erzählte so den nächsten Abschnitt seiner Geschichte, ganz auf das konzentriert, was er in seinem Innern sah. «Als Erstes nahmen die Alliierten die Stadt Wladiwostok ein. Die Streikenden hielten diese Stadt, es gab eine tadellose Verwaltung, alles lief ordentlich und gut. Sie leisteten nicht viel Widerstand, so überrascht waren sie von unserem Vorgehen. Wir erschossen ein paar Hafenarbeiter, die ein Gebäude zu verteidigen versuchten, und die Streikenden veranstalteten ein großes Begräbnis mit einer Prozession; sie trugen die roten Särge vor das amerikanische Konsulat und fragten uns auf Transparenten, warum wir ihre Leute erschossen
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