Öl!
förmlich die Kugeln durch Pauls Kleidung fliegen, und ihr Abscheu vor dem Krieg wurde dadurch gewiss nicht geringer.
«Viele unserer Kameraden hassen die Japsen inzwischen», sagte Paul, «aber ich nicht. Ich habe eine Lebensphilosophie von dort mitgebracht – das Einzige, was ich mitgebracht habe. Die herrschenden Klassen in Japan haben sich einen halben Kontinent geschnappt, die armen Soldaten dagegen konnten sich nur einen Sold schnappen, der noch armseliger war als der meine. Sie wussten nicht, wozu sie da waren, denn auch sie sind entführt worden. Einige von ihnen waren früher in Amerika, mit denen kam ich ins Gespräch, und wir haben uns immer problemlos vertragen. Das traf auch auf die Tschechoslowaken zu, auf die Deutschen und auf jede Nation, der ich begegnete. Ich sag dir eins, Bunny, wenn die einfachen Soldaten es untereinander hätten ausmachen können, hätte es keinen Krieg gegeben. Aber so etwas nennt man Landesverrat, und wenn man das versucht, wird man erschossen.»
4
Den ganzen Freitagabend redeten Paul und Bunny miteinander, und auch noch geraume Zeit am Samstag und Sonntag, und Paul erklärte Bunny die Russische Revolution. Es gebe eine einfache Methode, sie zu verstehen, sagte Paul; wenn ihm etwas unverständlich vorkomme, solle er nur an ihren Ölstreik denken. «Frag dich, wie es in Paradise gewesen ist, dann weißt du alles über Russland und Sibirien – und auch alles über Washington, New York und Angel City. Der Erdölarbeitgeberverband, der unseren Streik bekämpft hat, besteht aus genau der Sorte Männer, die uns nach Sibirien geschickt hat – oft sind es sogar ein und dieselben Personen. Gestern habe ich in der Zeitung gelesen, dass ein Konsortium von Ölunternehmern aus Angel City Konzessionen in Sachalin bekommen hat. An einen Namen erinnere ich mich, Vernon Roscoe. Er ist einer von den ganz Großen, nicht wahr?»
Paul sprach ganz ernst, und Bunny und Ruth lächelten einander zu. Paul war so lange fort gewesen, dass er im Ölgeschäft nicht mehr auf dem Laufenden war.
Paul sagte: «Die Unternehmer sind die gleichen und die Streikenden ebenfalls. Erinnerst du dich an den kleinen russischen Juden, Mandel, einen Ölarbeiter, der bei unserem Streik mitgemacht hat? Er hat immer Balalaika gespielt und uns Lieder über Russland vorgesungen – wir haben ihn keine Reden halten lassen, weil er ein ‹Roter› war. Wie’s der Teufel will, habe ich ihn auf der Hinfahrt zufällig in Manila getroffen. Er hatte als Zwischendeckpassagier auf einem Dampfer nach Russland reisen wollen, aber als sie merkten, dass er ein Bolschewik war, setzten sie ihn an Land und nahmen ihm alles weg, sogar seine Balalaika. Ich habe ihm fünf Dollar geliehen, und sechs Monate später tauchte er in Irkutsk in einer YMCA -Hütte auf. Dort lag auf einem Regalbrett eine Balalaika, und er sagte: ‹Hoppla, das ist ja meine! Wie kommt die hierher?› Man erzählte ihm, ein Soldat habe sie mitgebracht, könne aber nichts damit anfangen. ‹Du kannst sie haben, wenn du sie spielen kannst›, sagten sie, und so spielte und sang er uns etwas vor, das Lied von den Wolgaschiffern und dann die Internationale – natürlich wusste niemand, was das war. Ein paar Tage später kam der Befehl, ihn festzunehmen, aber ich half ihm zu fliehen. Monate später stießen wir zufällig draußen auf dem Land auf ihn, nicht weit von Omsk. Er war Sowjetkommissar geworden, und Koltschaks Leute hatten ihn gefangen genommen und lebendig begraben, bis zur Nase, sodass er gerade noch atmen konnte. Als wir ihn fanden, hatten die Ameisen seine Augen schon fast aufgefressen, aber es war noch Leben in ihm, er konnte noch die Stirn runzeln.»
Das erzählte Paul, als er mit Bunny allein war, und der Jüngere war sprachlos vor Grauen. «Tja», sagte Paul, «solche Sachen mussten wir mit ansehen, und wir wussten, dass wir schuld daran waren. Ich könnte dir noch viel schlimmere Dinge erzählen – ich habe mitgeholfen, dreihundert Leichen zu begraben, von Menschen, die nicht etwa im Kampf gefallen waren, sondern die man einfach kaltblütig erschossen hatte, Männer, Frauen, Kinder, sogar Säuglinge. Ich habe gesehen, wie ein weißer Offizier Frauen in den Kopf schoss, einer nach der anderrn, und das mit unseren Kugeln, die unsere Eisenbahner dorthin transportiert hatten – ich meine die Eisenbahner unserer Bankiers. Viele Jungs sind darüber regelrecht verrückt geworden. Von den zweitausend, die von Bord unseres Truppentransporters gingen, sind
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