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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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auf den Kopf; was böse gewesen war, wurde plötzlich heldenhaft, und Ehrbares wurde plötzlich glanzlos. Bunny hatte sich angesichts der modernen Wirtschaftswelt mit ihren mannigfaltigen Ungerechtigkeiten gefühlt wie einer, der sich in einem wilden Wald verirrt hat. Nun trug ihn ein Ballon nach oben und wies ihm den Weg aus der Wildnis. Alles war einfach und übersichtlich wie auf einer Karte. Die Arbeiter mussten die Fabriken übernehmen und sie für sich leiten und betreiben statt für die Bosse. So konnte man den Knoten der sozialen Ungerechtigkeit mit einem Schlag entzweihauen!
    Bunny hatte von dieser Idee schon gehört, und sie hatte fantastisch und absurd geklungen. Nun kam Paul daher und erzählte, dass sie schon verwirklicht worden war. Hundert Millionen Menschen, die ein Sechstel der Erdoberfläche bewohnten, hatten die Fabriken übernommen und betrieben sie, und sie hätten Erfolg damit, wenn die vereinigte Raffgier der Welt sich nur fernhalten und sie in Ruhe lassen würde!
    Bunny fuhr Paul in seinem Auto über das Gelände und zeigte ihm alles. Sie erkundeten die neue Raffinerie, dieses wunderbare Kunstwerk. Vor ihnen erhob sich ein gewaltiges Gebäude, das sich aus riesigen, ineinandergestapelten Backformen zusammensetzte, eine Pyramide, die fast bis zum Himmel reichte. Hier kochten die Engel Bonbons für die ganze Welt, Leckereien mit einem neuen, patentierten Geschmack und einem ekelhaft süßlichen Geruch, der sich meilenweit über die Berge ausbreitete und die Wachteln verscheuchte!
    Es wurde langsam dunkel, und wenn der weiße Dampf, der aus den Backformen aufstieg, sich mit dem Himmelslicht vermischte, bekam er einen violetten Saum. Elektrisches Licht flammte auf, weiß, gelb, rot, bis das Ganze aussah wie Coney Island. 64
    Dieser Eindruck verstärkte sich noch, wenn man weiterfuhr und zu einem langen, niedrigen Gebäude kam, das den Eindruck erweckte, als säßen vierundvierzig Holländer darin versteckt und pafften an vierundvierzig Pfeifen, alle gleichzeitig, wie ein Orchester. Es war ein äußerst komischer Anblick: vierundvierzig Auspuffe im Takt, schnell und heftig, paff-paff-paff!
    In Verbindung mit dem Paradise-Gelände empfand Bunny die alte Verlegenheit; sein Eigentumsrecht an diesem riesigen Besitztum war nicht eindeutig, Paul musste doch neidisch sein, wenn er sich vor Augen führte, wie seine Familie hereingelegt worden war. Aber dann wurde Bunny so blitzartig wie bei einer Offenbarung bewusst, dass diese alten Gefühle völlig überholt waren. Paul würde ihn nie mehr wegen seines verlorenen Erbteils beneiden, nie mehr über die Ansprüche der Familie Watkins nachdenken, genauso wenig wie über die der Familie Ross. Das Gelände von Paradise gehörte den Arbeitern von Paradise, die schöne neue Raffinerie hing wie ein reifer Pfirsich am Baum und musste bloß gepflückt werden! Es fehlte nur jemand, der dies den Männern klarmachte. Wenn Paul nicht so schwach und erschöpft gewesen wäre, hätte er das noch heute Abend getan, und sie hätten die Anlage übernehmen und morgen den Betrieb unter neuer Leitung aufnehmen können. Alle Macht den Räten!
    7
    Bunny kehrte an die Universität zurück, erfüllt von elektrisierenden neuen Gedanken; im einen Moment zitterte er vor Aufregung, und im nächsten machte er sich erschrocken bewusst, was er soeben gedacht hatte. Eine innere Stimme warnte ihn, dass die Idee einer Enteignung der südkalifornischen Wirtschaft bei seinen Kommilitonen von der Universität keinen Anklang finden würde, deshalb begnügte er sich damit, positive Nachrichten über Russland zu verbreiten – dass die Revolution kein Ausbruch blindwütiger Grausamkeit war, sondern die Geburt einer neuen Gesellschaftsordnung. So sprach Bunny, und Peter Nagle vernahm die frohe Botschaft mit weit offenstehendem Riesenmund; Gregor Nikolajew jedoch sagte, das mag schon sein, aber warum hatten sie dann seinen Vetter ins Gefängnis geworfen? Rachel Menzies entgegnete, sie hätten Tausende von Sozialisten ins Gefängnis geworfen, und Billy George schlug vor: «Trommeln wir doch ein paar Leute zusammen, dann soll Paul kommen und vor ihnen reden.»
    Das Gerücht verbreitete sich mit zaubrischer Eile quer durch die Universität, und die lebhafte Vorstellungskraft von Bunnys Freunden ergänzte all jene Details, die er verschwiegen hatte. Bunny Ross kenne einen Arbeiter, einen Erzbolschewiken, der habe nun auch Bunny zum Erzbolschewiken gemacht; der «rote Millionär», so sollte er fortan

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