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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Schmuggler setzten. Bunny beobachtete das unglaubliche, aber weitverbreitete Phänomen, dass Menschen, die sonst durch und durch zynisch waren und es sich zur Lebensregel gemacht hatten, niemandem zu trauen, nun die wildesten Geschichten nachbeteten, die ihnen Männer aus der Unterwelt erzählt hatten, dass nämlich diese spezielle «Kiste Scotch» aus Mexiko hereingeschmuggelt oder vielleicht aus dem Privatbestand eines nach Kanada gereisten Herzogs geklaut worden sei.
    Sie erörterten die jüngsten Wendungen der Tragödie, die Koski widerfahren war, einem der Herrscher der Filmwelt, der im Keller seines Landhauses einen unschätzbar wertvollen Vorrat gelagert und vorsichtshalber mit einer zwei Fuß breiten Ziegelmauer und Tresortüren geschützt hatte; doch als der Eigentümer einmal nicht zu Hause gewesen war, waren Diebe gekommen, hatten den Verwalter gefesselt und geknebelt, den Fußboden des Salons über dem Keller aufgesägt und alles mit Seil und Haken nach oben geangelt und in Lastwagen fortgekarrt. Seither machte Koski den Behörden die Hölle heiß; er warf ihnen vor, dass sie mit den Dieben unter einer Decke steckten, zog ein privates Detektivbüro hinzu und drohte mit einem Skandal, der das Polizeiministerium bis auf die Knochen blamieren würde. Auf diese Weise hatte er den größten Teil seiner Fässer und Flaschen wiederbekommen, aber leider war das echte Zeug weg, alles war geleert und mit synthetischem Alkohol aufgefüllt worden. Und nun konnten einem die Schmuggler eine weitere überzeugende Story auftischen: Sie lieferten original Koski-Stoff! In Kalifornien und den angrenzenden Staaten wurden Millionen Gallonen von «original Koski-Stoff» getrunken.
    Plötzlich klatschte Vee Tracy in die Hände. «Hört zu! Apropos Koski und Konsorten – da hab ich was! Kennt ihr schon das Kinounser?»
    Stille trat ein. Niemand kannte es.
    «Das sollten wir unseren Kindern beibringen, damit sie es morgens und abends aufsagen. Es ist eine ernste Sache, ihr dürft nicht lachen.»
    «Lasset uns beten», hörte man die Stimme von Bessie Barrie.
    «Faltet die Hände wie brave Kinderchen», befahl Vee, «und neiget das Haupt.» Und sie begann langsam und feierlich zu intonieren: «Kino unser, das du bist der Himmel, Hollywood sei dein Name. Koski komme, sein Wille geschehe, wie im Studio, also auch im Bett.»
    Irgendwer schnappte nach Luft, dann brach der ganze Tisch in schallendes Gelächter aus, es bedurfte keiner Erklärungen, alle kannten sie ihren Herrscher, den Gebieter über das Schicksal Hunderter von Filmschauspielerinnen. «Weiter!», riefen einige, und das Mädchen fuhr fort mit dem Gebet, das in Form und Rhythmus dem Vaterunser glich und die Namen anderer Herrscher ihrer Scheinwelt anrief, immer mit obszönen Anspielungen. Es war wie eine Schwarze Messe, und sie vollbrachte das wunderbare Kunststück, die Konversation aus dem schlüpfrigen Graben der Prohibition herauszuholen. Sie sprachen eine Weile über die sexuellen Gewohnheiten ihrer Gebieter, wer mit wem zusammenlebte, welche Skandale drohten und welche Schießereien und Vergiftungsanschläge sich daraus ergeben hatten – spannende, geheimnisvolle Kriminalgeschichten, die jede Menschenansammlung in Hollywood für Stunden mit Konversationsstoff versorgt hätten; es wurde ein halbes Dutzend mögliche Auflösungen angeboten, jede für sich überzeugend, und keine davon glich einer anderen.
    8
    Sie verlegten ihre Sitzung in die größere Kathedrale, wo gedämpftes Licht brannte und – sinnigerweise anstelle des Altars – eine große weiße Leinwand aufgebaut worden war. Am anderen Ende des Raums stand ein Projektor, und die Gäste verteilten sich auf bequeme Sessel, bereit, für die Bewirtung zu zahlen, indem sie die ersten beiden Rollen von Annabelles neuem Film ansahen und fachkundige Kommentare zum Schnitt abgaben. «Abgründe der Leidenschaft» ist – vielleicht erinnern Sie sich – die erschütternde Geschichte einer jungen Dame aus feinen Kreisen, deren gut aussehender Ehemann von einer geschiedenen Frau verführt wird. Um ihn eifersüchtig zu machen, beginnt sie mit einem Alkoholschmuggler zu flirten, wird auf einem Rumkutter entführt und kommt schließlich unter dem üblichen Zerren, Ziehen und Reißen an der Damenbekleidung zu Fall. «Mein Gott», sagte Vee Tracy halblaut zu Bunny, «Annabelle spielte diese Flapper 75 aus gutem Hause schon, da waren die noch nicht mal geboren, und während der ganzen Zeit hat sie nie eine Story gehabt,

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