Öl!
Anblick. «Wie Ihre roten Freunde im Gefängnis!», bemerkte Harvey Manning im Vorübergehen.
Doch jeder Mensch, und sei er noch so gelangweilt, hat etwas, woran ihm liegt, erkannte Bunny. Mit einem Mal zog sein Führer die Uhr aus der Tasche und stellte fest, dass es bald halb sieben war, sie mussten zurück zum Haus. Bis zu diesem Zeitpunkt blieb er regelmäßig «trocken», doch dann war er kurz davor, aus der Haut zu fahren, und so spazierten sie zurück. Ein chinesischer Boy in weißem Leinen hatte offenbar Anweisung, ihn zu erwarten, und stand mit einem Tablett bereit. Harvey nahm gleich zwei Drinks, um das Versäumte nachzuholen, dann seufzte er zufrieden und bewies, dass er auch weniger schleppend reden konnte.
Als Bunny zum Dinner herunterkam, war bereits eine ansehnliche Gesellschaft versammelt, einige in Abendroben, manche in Golfkleidung und andere, wie der Gastgeber, im schlichten Straßenanzug – es war eben «eine Stätte der Freiheit», wie auf dem Untertitel. Roscoe unterhielt sich mit Fred Orpan über Politik, über die Niederlage, die sie der Demokratischen Partei beibringen würden. Roscoe hatte das Reden übernommen, denn der andere war merkwürdig schweigsam, eine große, schmale Gestalt mit einem großen, schmalen Gesicht wie ein Pferd. Er hatte höchst seltsame graugrüne Augen, die irgendwie vollkommen leer aussahen; man hätte meinen mögen, auch sein Kopf sei leer, wenn er eine Stunde lang nur zuhörte und nichts sagte – aber das war ein Irrtum, denn er war Chef eines mächtigen Konglomerats von Ölunternehmen, und Dad sagte von ihm: «Der schnappt zu wie eine Stahlfalle.»
Auch Bessie Barrie war da, denn der Anstand erforderte, dass man sie ebenfalls einlud, wenn Orpan eingeladen war. Er hatte sich bei mehreren Filmen für sie verwendet, und nun «bezahlte» sie dafür, wie man das allgemein nannte, doch es war keine so noble Regelung wie im Fall von Roscoe und seiner Annabelle, denn Bessie war in ihren Regisseur verliebt gewesen, und dieser war noch immer verliebt in sie, und das Verhältnis der beiden Männer war alles andere als herzlich. Dies alles erfuhr Bunny vom Oberklatschmaul Harvey Manning, dessen Zunge sich nach einigen weiteren Drinks vollends gelockert hatte. Bunny bemerkte, dass die Gastgeberin die beiden rivalisierenden Männchen taktvoll an die entgegengesetzten Enden des Tisches platziert hatte.
Sie befanden sich jetzt in einer kleineren Kathedrale namens «Refektorium», und Bunny saß auf dem Ehrenplatz zur Rechten der reizenden Annabelle, die sich aus einer zitronenfarbenen Schäferin in eine weißseidene Herzogin verwandelt hatte. Zu ihrer Linken saß ihr Regisseur Perry Duchane und sprach über die Schnitte der ersten beiden Filmrollen, die er mitgebracht hatte, um sie vorzuführen. Neben ihm war ein leerer Platz, irgendeine Dame hatte sich verspätet, und Bunny war noch zu wenig weltläufig, um zu wissen, dass sich berühmte Persönlichkeiten auf diese Weise Aufmerksamkeit sichern. Es war seine erste Begegnung mit Schauspielerinnen; woher hätte er wissen sollen, dass sie manchmal auch hinter der Bühne schauspielern?
6
Erinnern Sie sich in der Mammutproduktion «Der Kaiser von Etrurien», an die skythische Sklavin, die aus der Wildnis angeschleppt wird, um die Lüste eines verwöhnten Sybariten zu befriedigen, und an die Szene, wo die dicken Eunuchen Hand an sie legen? Wie herrlich wütend sie sie kratzte und ihre Köpfe gegeneinander schlug! Bei dem Kampf wird ihr Gewand in Fetzen gerissen, und man erhascht den einen oder anderen Blick auf einen schlanken, sehnigen Körper – wie viele solcher Blicke man erhaschte, hing von den Zensurgesetzen des jeweiligen Staates ab, in dem der Film vorgeführt wurde. Die Szene war ein voller Erfolg beim Publikum, und viele Produzenten warben um Viola Tracy – ausgesprochen bitte «Vie-ola», Betonung auf der ersten Silbe. Als Nächstes zeigte sie ihre herausragende Kampfbegabung in «Der jungfräuliche Vamp» und danach in vielen weiteren aufwühlenden Szenen, die sie um ein Haar in Verruf gebracht hätten. In letzter Zeit nun war sie zu Rang und Ansehen gekommen und auf allen Reklametafeln von Angel City als majestätische «Braut des Tutenchamun» zu sehen, ein verführerisches Wesen mit tiefliegenden, geheimnisvollen schwarzen Augen und einem Lächeln, so unergründlich wie viertausend Jahre Geschichte.
Und jetzt war sie hier, von den Reklametafeln heruntergestiegen ins Refektorium des «Klosters»; das
Weitere Kostenlose Bücher