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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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gar nicht so unrecht. Sie ist dürr und hager und reibt sich noch vollständig auf, wenn sie weiter so durchs Haus streift, die Möbel abstaubt und an den Dienstboten herumnörgelt, weil die sich nicht ordentlich um alles kümmern.»
    Die beiden spazierten weiter den Strand entlang. «Hinter diesem Berg lebt die Schwester des alten Hank», sagte sie, «er hat ihr einen Teil des Landsitzes vermacht, und die beiden Frauen haben sich wegen der Grenzziehung und der Wasserrechte gestritten. Tessie Thatcher hat immer ein liederliches Leben geführt, sie stellt Männer ein, die für sie arbeiten sollen, und macht sie dann zu ihren Liebhabern. Sie schreibt ihnen Schnuckelbriefchen, und wenn sie versuchen, sie zu erpressen, sagt sie, sie sollen sich zum Teufel scheren. Die Männer verklagen sie, weil sie ihr Gehalt nicht ausbezahlt bekommen haben, verkaufen die Briefe an die Zeitungen, und alle werden abgedruckt, aber Tessie macht das nichts aus, sie weiß, dass nichts ihre gesellschaftliche Position erschüttern kann, dazu ist sie zu reich. Außerdem säuft sie und weiß, wie man seine Sorgen vergisst.»
    «Mein Gott!», rief Bunny. «Was Besitz mit den Menschen anstellt!»
    «Und besonders mit Frauen», sagte sie. «Es ist zu viel für ihre Nerven. Ich schau mir die alten Frauen an, denen ich begegne, und überlege, welche von ihnen ich gern sein würde. Dann sag ich, ‹o mein Gott!›, spring in mein Auto und fahr mit fünfzig Sachen los, nichts wie weg von meinen Sorgen und den Menschen, die mir die ihren anvertrauen wollen!»
    «Hat der Richter Sie deswegen eine Woche ins Gefängnis gesteckt?», fragte Bunny lachend.
    «Nein», erwiderte sie, «das war ein Werbegag, die brillante Idee meines Agenten.»

KAPITEL 14
    Der Star
    1
    Bunny fuhr nach Angel City zurück und begriff: Wenn er Vee Tracys Regel, anderer Leute Sorgen zu meiden, befolgen wollte, hatte er einen schweren Fehler begangen, als er sich für ein Arbeitercollege interessierte. Er besuchte Mr Irving, und der junge Lehrer steckte bis über beide Ohren in zunehmenden Schwierigkeiten und Streitereien der Gewerkschaftsbewegung. Während des Sommers hatte er immer wieder mit Führern und Anhängern gesprochen und versucht, sie auf ein gemeinsames Programm einzuschwören. Es war ihm gelungen, ein College mit drei Dozenten zu gründen; die etwa fünfzig Schüler kamen zumeist abends, aber alles war äußerst unsicher, die Hürden schienen unüberwindlich.
    In der Gewerkschaftsbewegung gab es eine Handvoll fortschrittlicher, vernünftig denkender Männer und Frauen und ansonsten die große Masse der hohlköpfigen Bürokraten und ein Häufchen extremer Radikaler, die lieber gar kein Brot hatten als nur einen halben Laib. Die Führer der alten Schule wollten mit dem College nichts zu schaffen haben, wenn diese Roten sich beteiligten; andererseits, wenn man die Roten ausschlösse, schlügen sie Krawall, und viele ernsthafte Liberale würden sagen, was nützt uns ein neues College, wenn es nicht viel anders ist als die alten?
    Die Anliegen der Gewerkschaftsbewegung waren traditionell kürzere Arbeitszeit und höherer Lohn, und die alten Funktionäre fühlten sich an diesen Standpunkt gebunden. Der durchschnittliche Gewerkschaftsfunktionär war ein Arbeiter, der mit Hilfe eines politischen Apparats innerhalb der Gewerkschaft der täglichen Schufterei entkommen war. Alles Neue bedeutete für ihn die Gefahr, seinen Schreibtischjob zu verlieren und wieder Schwerstarbeit leisten zu müssen. Er hatte gelernt, mit den Arbeitgebern zu verhandeln und ihre Zigarren zu rauchen, und vielfach gab er mehr Geld aus als nur seinen Lohn. Hier in Angel City hatten die Gewerkschaften eine Wochenzeitung, die sich über Anzeigen der Geschäftsleute finanzierte – und was war das anderes als eine ehrbare Form der Bestechung? Wenn man einem solchen Redakteur einen kämpferischen Artikel übergab, stieß dieser das gefürchtete Wort «Bolschewismus» aus und warf das Blatt in den Papierkorb.
    Dasselbe galt für die Bewegung auf nationaler Ebene. Die «American Federation of Labor» 86 unterhielt in Washington ein Büro, das die Aufgabe hatte, die Radikalen zu bekämpfen, und dieses Büro handelte wie jede andere patriotische Vereinigung. Es sammelte unvorteilhafte Berichte über Russland aus aller Welt und versorgte damit die amerikanische Gewerkschaftspresse. Wenn ein Gewerkschafter dagegen protestierte und darauf bestand, auch die andere Seite darzustellen, machte er sich diesen Apparat

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