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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Schritt, den er tat, buckelte und rutschte einer von ihnen näher ans Wasser. Einige waren gelblich, andere dunkelbraun, es gab kleine und große, und alle waren ungeheuer fett, schließlich fraßen sie im Lauf eines Tages ihr eigenes Gewicht an Fischen. Als Bunny näher schwamm, glitten sie stillschweigend von den Felsen und machten ihm höflich Platz. Kaum war er nach oben geklettert, tauchten sie wieder auf und bildeten in einiger Entfernung einen Kreis aus gelben und braunen Köpfen mit gesträubtem Schnurrbart und sanft blickenden Augen. Sie wirkten seltsam menschlich, wie fremdländische Kinder, die einen Besucher beäugen, der ihre Sprache nicht versteht und vielleicht gefährlich ist, vielleicht auch nicht.
    Das Wasser in Kalifornien ist immer kalt, aber die Sonne ist immer warm, deshalb schwamm Bunny eine Weile, näherte sich dann einer Felsengruppe und sah zu, wie die stille Gesellschaft sich buckelnd ins Wasser bewegte. Was er auch von ihnen verlangte, sie würden sich ihm, dem überlegenen Wesen, fügen und mit den Plätzen vorliebnehmen, die er ihnen ließ. Die mächtigen grün-weißen Wellen schwappten heran, und unter der Oberfläche sah er einen Garten aus fremdartigen Pflanzen, Anemonen und Abalonen, die sich festklammerten – zu fest, um sie mit den Fingern abzubrechen. Weiße Wolken zogen dahin und warfen rasche Schatten aufs Wasser, und weit draußen auf dem Meer zeigte eine Rauchfahne an, dass ein Dampfer vorbeifuhr.
    Die Welt war so schön und gleichzeitig so merkwürdig und interessant! Wie es sich wohl anfühlte, ein Seehund zu sein? Was dachten sie über dieses arrogante Geschöpf, das ihre Ruheplätze in Beschlag nahm? Sahen sie die Burg an der Küste, oder sahen sie nur den Fisch zum Fressen, und woher wussten sie so genau, dass sie einen Menschen nicht fressen durften? Peinlich, wenn einer von ihnen ein Roter wäre und gegen die freundlichen Gesetze der Hundsrobben aufbegehren würde! So dachte Bunny, der mit einundzwanzig noch derselbe war wie damals, als wir ihm zum ersten Mal begegnet sind, als er über den Guadalupe-Pass fuhr und über die Gefühle von Erdhörnchen und Krähenwürgern nachsann. In der Zwischenzeit hatte er die Beach City Highschool absolviert und die Hälfte des Studiums an der Southern Pacific University hinter sich gebracht, aber keine der beiden Einrichtungen hatte ihm beigebracht, was er wissen wollte!
    11
    Der junge Philosoph befand, dass es nun genug war, und schwamm Richtung Ufer, da bemerkte er eine Gestalt zu Pferd, die am Strand entlang auf ihn zugaloppierte. Die Gestalt war barhäuptig, trug Knickerbocker und schien ein Mann zu sein, aber heutzutage wusste man nie, deshalb schwamm er weiter und wartete ab, und kurz darauf erkannte er Vee Tracy. Sie sah ihn und winkte, und als sie auf seiner Höhe war, verhielt sie ihr Pferd. «Guten Morgen, Mr Ross!»
    «Guten Morgen!», rief er. «Gehört das zu den Vorschriften Ihres Arztes?»
    «Ja, und Schwimmen auch.» Ein Lachen lag auf ihrem Gesicht, als ahnte sie seine missliche Lage. «Warum laden Sie mich nicht ein, mitzuschwimmen?»
    «Das wäre den Seehunden peinlich.» Er schwamm langsam näher, bis er stehen konnte und die Wellen sich an seinen Schultern brachen.
    «Es ist ein Morgen wie am ersten Schöpfungstag», sagte Vee. «Kommen Sie, wir wollen ihn gemeinsam genießen.»
    «Schauen Sie, Miss Tracy», erklärte er, «ich habe nicht mit Besuch gerechnet. Ich bin so, wie Gott mich schuf.»
    «Liebe Herren», intonierte sie, «wie lang soll meine Ehre geschändet werden?» 79 Und sie erklärte: «Einmal bin ich in ‹König Salomon› aufgetreten, einem historischen Schauspiel. Wir hatten drei echte Kamele, und ich war Abisag von Sunem 80 , das Mädchen, das den König umsorgt und bedient, und er sang für mich: ‹Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin. Die Blumen sind herfürgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Augen gewonnen und geben ihren Ruch. Stehe auf, meine Freundin und komm, meine Schöne, komm her! Meine Taube in den Felslöchern …›» 81
    Er stand nahe genug, um den Kobold des Übermuts in ihren Augen tanzen zu sehen. «Junge Frau», sagte er, «ich möchte Sie warnen. Ich bin seit einer Stunde in diesem Wasser, und mir ist kalt. Ich war schon auf dem Weg nach draußen.»
    Sie fuhr fort:

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