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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Südkaliforniens. Scheinwerfer suchen die Wolken ab, Raketen zischen in den Himmel, bengalisches Feuer verwandelt die Straßen in einen zweiten Hades, und der Säulengang, von den millionenteuren Melanesiern auf den nackten Schultern getragen, wird mit Jupiterlampen taghell erleuchtet. Die Menge drängt sich in den Straßen, und Horden von Einbrechern fallen in die Stadt ein, weil die Polizei bis auf den letzten Mann damit beschäftigt ist, den Filmstars einen Weg zu bahnen, wenn sie die festgesetzte Route nehmen: Von ihren auf Hochglanz polierten Zehntausend-Dollar-Limousinen über den Bürgersteig durch den Säulengang bis unter das Millionen-Dollar-Portal. Die Jupiterlampen strahlen sie an, ein Dutzend Filmkameras schnurren, Blitzlichter flammen auf, und die Menge drängt, bebt und murmelt verzückt.
    Niemals in der Geschichte der Menschheit hat es solche Pracht gegeben; niemals haben die Augen der Sterblichen solch königliches Gepränge erblickt. Jäger und Fallensteller haben für die Hermeline und Zobelpelze, in die sich diese Königinnen hüllen, in den eisigen Wüsten der Arktis ihr Leben lassen müssen, Taucher, die ihre Perlen aus den Tiefen der tropischen Meere nach oben holten, wurden von Haien zerfleischt, Bergleute wurden im Erdinnern zermalmt, als sie diese funkelnden Diamanten ausgruben, Chemiker haben sich bei Experimenten auf der Suche nach ihren Kosmetika und Haarfärbemitteln in die Luft gesprengt, und Näherinnen sind erblindet beim Besticken der raffinierten Modellkleider, die nun glitzernd ihre seidigen Fesseln umspielen. All dies zusammengedrängt auf einen kurzen, glorreichen Marsch – wen wundert’s, dass sie die Köpfe hochtragen und majestätische Blicke werfen? Oder dass die Menge drängt und rast, Frauen in Ohnmacht fallen und Krankenwagen mit Tatütata angefahren kommen?
    Im Innern des Theaters befindet sich zu Häupten eines millionenteuren Melanesiers ein mächtiges Megaphon, und sobald die Berühmtheiten ihren Automobilen entstiegen sind, teilt die Stimme eines Riesen dem Publikum ihr weiteres Fortschreiten mit. «Mr Abraham Schmolsky kommt durch den Säulengang. Mr Schmolsky wird begleitet von Mrs Schmolsky. Mrs Schmolsky trägt einen von Voisin entworfenen Abendmantel aus blauem Satin, mit Chinchilla besetzt, den sich Mrs Schmolsky soeben aus Paris mitgebracht hat. Mrs Schmolsky trägt ihr berühmtes Brillantdiadem. Jetzt betreten Mr und Mrs Schmolsky das Theater. Mr und Mrs Schmolsky sind stehen geblieben, um mit Mr und Mrs Jacob Gloobry zu sprechen.»
    Und so weiter, und so fort, eine Sensation nach der anderen, dann schließlich, genau zur feierlichsten Stunde, um acht Uhr dreißig, die größte Attraktion, die Hauptsensation des Abends: «Miss Viola Tracy steigt aus ihrem Wagen. Miss Tracy wird begleitet von ihrem Freund Mr J. Arnold Ross junior, Entdecker und rechtmäßiger Erbe des Ölfelds Ross Junior in Paradise, Kalifornien. Miss Tracy und Mr Ross kommen durch den Säulengang. Miss Tracy trägt einen Mantel aus prächtigem Hermelinpelz, ihre weißen Satinschuhe sind mit Perlen besetzt. Sie trägt ein Perlencollier und einen Perlenkopfschmuck, Geschenke von Mr J. Arnold Ross senior. Miss Tracy und Mr Ross junior sind nun im Foyer und begrüßen Mr und Mrs Schmolsky und Mr und Mrs Gloobry …», und so weiter, bis Miss Tracy und Mr Ross junior auf ihren Plätzen sitzen und die Geschichte ihren Lauf nehmen kann.
    13
    Endlich bekam Bunny den russischen Film zu sehen. Seine Liebste war die schöne Braut eines Großherzogs; die Gesten, Küsse und Liebesekstasen, die sie an ihm geprobt hatte, wurden nun an eine majestätische Persönlichkeit mit ausrasiertem Backenbart verschwendet, die eine Uniform mit zahllosen Sternen und Orden trug. Diese Persönlichkeit war hochmütig, aber edel gesinnt, und die dazugehörige Großherzogin war der Inbegriff der Güte. Und wie lieb und freundlich war das Landvolk, dem sie ihre Wohltaten erwies! Wie reizend knicksten, wie entzückend tanzten sie und versammelten sich, um der großherzoglichen Kutsche zuzujubeln und Blumen zu streuen! Es war eine schöne, geradezu idyllische Welt – man war beinahe versucht zu bezweifeln, dass eine derart vollkommene Welt jemals auf Erden existiert hatte.
    Nur eins störte, und das war ein Geheimbund von Bösewichtern mit verzerrten, gemeinen Visagen, einige mit wildem Haar und großen Brillen, andere mit grimmigen schwarzen Backenbärten und Messern in den Stiefeln. Sie trafen sich, um anarchistische

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